PM: Mit Weitsicht handeln! Geflüchtete in der Stadt Leipzig müssen auch einen gesicherten Schutz vor Sars-CoV-2 erhalten. Dezentrale Unterbringung jetzt forcieren.

Am 22.04.2020 erließ das Verwaltungsgericht Leipzig einen Beschluss, der bekräftigt, was viele Bewohner*innen von kommunalen Sammelunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen sowie Nichtregierungsorganisationen schon seit Beginn der Covid-19-Krise fordern: Die Unterbringung in Massenunterkünften gefährdet die Gesundheit.
Der Beschluss hat zur Folge, dass die Person, die sich an das Gericht wandte, nun aus der Massenunterkunft in Dölzig in die Kommunen verteilt wird.Das Gericht hat begründet, dass Asylbewerberunterkünfte nicht vom Gebot der Corona-Schutz-Verordnung ausgenommen werden können, da dies der Verordnung entgegenläuft. Die Maßnahmen des Infektionsschutzgesetzes müssen- natürlich! – auch in Sammelunterkünften eingehalten werden.
Kim Schönberg vom IKMW dazu: „Dies ist ein wichtiger Beschluss! Nun müssen die Kommunen folgen und in Sammelunterkünften, sowohl für Geflüchtete als auch für andere marginalisierte Gruppen, Bedingungen schaffen, die es ermöglichen die Infektionsschutzmaßnahmen auch einzuhalten. Die Begründung des Gerichtes schließt eindeutig alle Asylunterkünfte und damit Sammelnterkünfte, wie zum Beispiel für Wohnungslose mit ein.“

In der Stadt Leipzig sind nach Aussagen des Sozialamtes Vorkehrungen getroffen worden, um den Schutz der Bewohner*innen und der Mitarbeiter*innen in den Asylunterkünften zu gewährleisten. Die Lockerung der Belegung sowie die gesonderte Unterbringung von Risikopersonen sei gewährleistet, ebenso die Versorgung mit Schutzausrüstung und mehrsprachigen Informationen. (vgl LVZ vom 28.3.2020)

Im Lichte des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Leipzig ist es aus Sicht des Initiativkreis:Menschen.Würdig allerdings fraglich, ob die Maßnahmen weit genug gehen. Denn in den Mehrbettzimmern, in Gemeinschaftsräumen, Küchen und sanitären Anlagen der Sammelunterkünfte in Leipzig besteht ein Infektionsrisiko, dass es so in einer eigenen Wohnung nicht geben würde.

Kim Schönberg vom IKMW dazu: „Die Stadt Leipzig gibt sich sichtlich Mühe, die Hygieneverordnungen auch für Geflüchtete einhaltbar zu gestalten.
Ein echter Schutz ist in unseren Augen nur mit dezentraler Unterbringung als selbstbestimmtes Wohnen in der eigenen Wohnung möglich. Wir wissen natürlich auch, dass der Wohnungsmarkt in Leipzig sehr angespannt ist. Als passable Zwischenlösung könnten aber ganz akut auch Hotels oder Ferienwohnungen, die sonst zu horrenden Preisen über einschlägige Portale an Tourist*innen vermietet werden, dienen.

Wir möchten aber auch darauf hinweisen, dass es in Leipzig trotz des angespannten Wohnungsmarktes immer noch Kapazitäten für dezentrale Unterbringung gibt: Ein Beispiel dafür sind die über 100 leer stehenden Wohnungen der LWB im Leipziger Süden!“

PM: Sammelunterkunft in der Torgauer Straße bleibt Symbol menschenunwürdiger Unterbringung – Sicherheitstechnische Aufrüstung ablehnen – Selbstbestimmtes Wohnen ermöglichen

*Pressemitteilung*
06. Mai 2019

Der Initiativkreis: Menschen.Würdig. (IKMW) wurde vergangene Woche auf neue Pläne für die Sammelunterkunft für Geflüchtete in der Torgauer Straße 290 aufmerksam gemacht. Die Pläne sorgen erneut für Kritik.

Denn, nachdem der Umbau der Unterkunft in den Jahren 2015/2016 bereits unermessliche Kosten verursachte, ohne, dass sich die ausgrenzenden Bedingungen grundlegend verändert hätten, plant die Stadtverwaltung nun die Aufrüstung der Unterkunft. Der Umbau des Wachschutzhauses und die Installation von insgesamt 16 Videokameras am Zaun sollen eine halbe Millionen Euro kosten.
(siehe Vorlage der Stadtverwaltung: https://ratsinfo.leipzig.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1011076)

Der Initiativkreis:Menschen.Würdig. (IKMW) engagiert sich seit seiner Gründung für die Schließung der Asylunterkunft in der Torgauer Straße.
Kim Schönberg vom IKMW schätzt ein: „Diese Unterkunft ist mit ihrer Kapazität von über 500 Plätzen einfach zu groß! Sie verunmöglicht ein selbstbestimmtes Leben in Privatsphäre und erschwert dadurch das Ankommen in Leipzig. Am Stadtrand, im Gewerbegebiet gelegen, ist und bleibt sie der Inbegriff für das Wegsperren von Menschen aus der Stadtgesellschaft.
Auch wenn die Stadt auf Drängen von Zivilgesellschaft und Stadtrat im Jahr 2012 umgesteuert und für Geflüchtete dezentralisiertes Wohnen in der Stadt ermöglicht hat, hält sie u.a. mit der Torgauer Straße weiterhin an einer ausschließenden Form der Unterbringung fest. Das lehnen wir prinzipiell ab. Wir haben protestiert als die Sammelunterkunft 2015 für fast 6 Millionen saniert wurde und protestieren jetzt, wenn es darum geht die Kontroll- und Überwachungsmechanismen für die dort untergebrachten Menschen zu perfektionieren.
Wir werden erst Ruhe geben, wenn sich die Stadt Leipzig von dieser Unterkunft verabschiedet. Ob saniert oder nicht, die Torgauer Straße schließt qua Standort und Dimension Menschen davon aus Teil dieser Gesellschaft zu werden.“

In der Vorlage vom Dezernat Stadtentwicklung und Bau und dem Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule heißt es, dass die geplanten Maßnahmen wie Videoüberwachung als Gegenmaßnahmen zu Vandalismus, Diebstahl und Überfällen vorgesehen sein sollen. Sie sollen in enger Abstimmung mit Datenschutzrichtlinien erarbeitet werden.

Kim Schönberg: „Es kann nicht im Interesse einer sich selbst als weltoffen bezeichnenden Stadt sein, Menschen in ein Lager am Rand der Stadt zu sperren und dort noch massiv zu überwachen. Auch das Argument, dass dies nur zum Schutz der dort lebenden Menschen passiert, geht nicht auf: Wenn die Menschen in ihren eigenen Wohnungen oder kleinen Unterkünften in den Sozialräumen der Stadt leben würden, wäre dies nicht nötig, ebenso keine Abwägungen zum Datenschutz. In diesem Sinne bietet sich jetzt erneut die Chance die Torgauer Straße als Asylunterkunft Geschichte werden zu lassen. Die dort mit Stand Ende 2018 lebenden 187 Menschen könnten locker in bestehende Häuser in der Stadt umverteilt werden.“

Am 08.05.2019 wird dem Verwaltungsausschuss die Beschlussfassung vorgelegt. Der IKMW fordert, dass die Fraktionsvertreter*innen im Verwaltungsausschuss diesen Maßnahmen nicht zustimmen. Vielmehr sollte endlich diskutiert werden, die Unterkunft Torgauer Straße als Unterkunft abzuschaffen. Eine Umnutzung als Wohngebäude mit leistbarem Wohnraum würde die Möglichkeit geben, dass dort auch Nicht-Geflüchtete Personen hinziehen können. Sollen sich Geflüchtete selbstbestimmt entscheiden, weiterhin dort zu leben, wären sie immerhin nicht mehr isoliert von Leipziger*innen, die keine Fluchtbiographie haben.

PM: Privatsphäre Adé – Vom Albtraum, im Lager zu leben

Gemeinsame Pressemitteilung des Initiativkreis: Menschen.Würdig. und des Sächsischen Flüchtlingsrats e.V.

03.05.2019

Weite Zugriffsrechte von Beschäftigen, Securities und Polizei in Aufnahmeeinrichtungen

Privatsphäre Adé – Vom Albtraum, im Lager zu leben

Das Staatsministerium des Inneren offenbart, wie die Hausordnung für Erstaufnahmeeinrichtungen in einigen Lagern umgesetzt wird: willkürlich und ohne Respekt für die Privatsphäre. Dass Wohnungen und Zimmer wie Sanitäranlagen in einigen Objekten nicht abschließbar sind, ist ein Skandal. Hinzu kommt die immerwährende Wahrscheinlichkeit, dass die Polizei in der Wohnung steht. Ohne richterlichen Beschluss.

Ende März erst hatte sich der Leipziger Initiativkreis: Menschen.Würdig. (IKMW) an den Sächsischen Ausländerbeauftragten gewandt und ihm seine Analyse der Hausordnung für sächsische Erstaufnahmeeinrichtungen in einem Offenen Brief dargelegt. Die Quintessenz: die Regelungen sind schlicht rechtswidrig, an verfassungsrechtlichen Verweisen mangelt es im Brief keinesfalls. Ein Gespräch dazu zwischen dem Sächsischen Ausländerbeauftragten und dem IKMW steht aus. Doch schon jetzt offenbart sich die Dringlichkeit nach Reformen. Denn der laxe Umgang mit Artikel 13 Grundgesetz, dem Schutz der Wohnung, spiegelt sich ganz konkret im Lageralltag. Wie eine Kleine Anfrage von Juliane Nagel, MdL, DIE LINKE, nun zeigt (Drs. 6/17162) ist die Privatsphäre der Bewohner*innen in höchstem Maße eingeschränkt. Dass Mitarbeiter*innen der Betreiber die Wohnungen und Zimmer betreten, ist offenbar komplett deren Willkür überlassen. Alle Mitarbeiter*innen besitzen Ersatzschlüssel. Die unnötig sind, wenn Wohnungen und Zimmer stets offen stehen. So der Fall in Dresden auf der Hamburger Straße und in Grillenburg in der Sächsischen Schweiz/ Osterzgebirge. „Das ist ein wahnsinnig hohes Maß an Schutzlosigkeit, dem gerade Schutzsuchende ausgeliefert sind.“ kommentiert Kim Schönberg vom IKMW. Das Maß an Schutzlosigkeit ist für nackte Personen ins Unermessliche gesteigert, die sich in Sanitärbereichen aufhalten. Auch das, Gang und Gäbe, wieder auf der Hamburger Straße, auf der benachbarten Bremer Straße sowie der Max-Liebermann-Straße in Leipzig. Die Sanitäranlagen sind laut Angaben des Innenministeriums nicht verschließbar. Welche Lösung im Sinne der Privatsphäre auf der Hamburger Straße geschaffen werden soll, wenn Frauen auf dem Weg zur Dusche an zwei Securities vorbeilaufen müssen, mag nicht erklärbar sein. Kim Schönberg: „Diese Zustände sind nicht etwa ein Skandal, der durch eine verbesserte Hausordnung beseitigt werden kann. Solche Zustände wohnen dem System Lager inne, ohne sie könnte so etwas nicht funktionieren. Deswegen unterstreichen wir unsere Forderung, wegen der wir uns überhaupt gegründet haben: Dezentralisierung JETZT! Geflüchtete müssen so schnell wie möglich in eigenen Wohnraum ziehen können. Nicht zuletzt werden wir diese Punkte auch gegenüber dem Sächsischen Ausländerbeauftragten vorbringen, der uns auf unseren offenen Brief hin zu einem Gespräch eingeladen hat.“

Alltag mit Uniformierten
Weiter geht es mit Durchsuchungen der Wohnungen und Zimmer durch Strafverfolgungs- und Vollstreckungsbehörden. Dass dies geschieht, will das Staatsministerium des Inneren nicht ausschließen. Quantifizieren mag es die Anzahl nicht, denn Recherche gefährdet die Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Staatsregierung. Dass solche Durchsuchungen ab und an auch mal ohne richterlichen Beschluss oder Einladung der Bewohner*innen stattfinden – auch hier kann nichts ausgeschlossen werden. Die Securities kontrollieren dabei gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen der Betreiber in aller Regelmäßigkeit die Wohnungen und Zimmer. Der Grund: die pauschale Unterstellung, Geflüchtete seien nicht mündig, deswegen muss auf Hygiene und Brandschutz kontrolliert werden. „Was in sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen geschieht, ist das Ausliefern von Menschen gegenüber Securities und Polizei. Von Privatsphäre kann nicht gesprochen werden, wenn Uniformierte ständiger Teil des Lebens sind. Das ist eine ganz simple Feststellung.“ meint Mark Gärtner vom SFR. Eine weitere Anfrage wird zeigen, welche Rolle Polizei bei Abschiebungen spielt, sofern sie aus Erstaufnahmeeinrichtungen heraus geschehen sollen (Drs. 6/17490). Auch hier sind Fälle bekannt, bei denen Polizei die Lager betrat. Weitere Einschränkungen erfahren Geflüchtete seit dem Mai/Juni des vergangenen Jahres. Die durch das System Lager induzierten Gewaltvorfälle in Dresden veranlasste die Landesdirektion die Gemeinschaftsräumen der Erstaufnahmeeinrichtunge per Video zu überwachen. Auch dies eine Maßnahme, die die Repression vor die Gewaltprävention, die dezentrale Unterbringung stellte (Kritik des SFR eV in PM vom 06. Juni 2018).