Innenstadt-Hotels als temporäre Unterkünfte für Geflüchtete nutzen!

+++ Innenstadt-Hotels als temporäre Unterkünfte für Geflüchtete nutzen! +++ Ziel muss die Maximierung der dezentralen Unterbringung sein +++ „Kontaktstelle Wohnen“ auf den Weg gebracht +++

Pressemitteilung, 26. Januar 2016

Laut LVZ sollen zum 29. Februar 2016 die beiden in der Innenstadt ansässigen Hotels „Ibishotel“ und „Novotel“ schließen. Beide Hotels verfügen insgesamt über eine Kapazität von 360 Zimmern. So bedauerlich die Schließung der Hotels insbesondere für die 60 MitarbeiterInnen ist, eröffnet die Situation die Möglichkeit, kurzfristig Geflüchtete unterzubringen.

Leipzig fehlen laut aktuellem Sachstandsbericht der Stadt Leipzig umfangreiche Kapazitäten für die Unterbringung von neu in Leipzig ankommenden Geflüchteten. Bei drei bestehenden Unterkünften läuft die Nutzung aus, insgesamt müssen allein dadurch 806 Plätze kompensiert werden. Dazu gehören auch 500 Plätze im derzeit als Unterkunft genutzten Bürohaus am Brühl, das nur bis Mitte April 2016 zur Verfügung steht.

Kim Schönberg vom Initiativkreis: Menschen.Würdig. erklärt: „Die Schließung der Hotels bietet die Chance, Geflüchtete schnell und unkompliziert unterzubringen. Die bisherige Nutzung als Hotels versprechen zudem annehmbare Wohnbedingungen. Die zentrale Lage birgt insbesondere für die Geflüchteten Chancen, wie kurze Wege und gute Orientierungsmöglichkeiten. Die im Zusammenhang mit der Nutzung des Bürohauses am Brühl befürchteten Komplikationen sind komplett ausgeblieben.“

Die Nutzung der Hotels als temporären Wohnraum ist Zeltlagern oder ehemaligen Baumärkten in jedem Fall vorzuziehen. Die von Geflüchteten aus dem Zeltlager am Deutschen Platz am vergangenen Montag vorgetragenen Probleme haben einmal mehr gezeigt, dass Zelte keine adäquate Form der Unterbringung von Menschen sind.

In jedem Fall bleibt die Maximierung der Wohnungsunterbringung das eigentliche Ziel. Rein prozentual steht die Stadt Leipzig im sachsenweiten Vergleich nicht gut da, wie eine Landtagsanfrage jüngst offenbarte. Die Stadt Leipzig setzt sich eine dezentrale Unterbringungsquote von 60% zum Ziel. Zum 30 November 2015 waren allerdings von 4281 Untergebrachten insgesamt 2943 Personen zentral untergebracht. Das entspricht einer dezentralen Unterbringungsquote von weniger als 40%. Die Stadt Leipzig ist demnach weit entfernt von ihrem Ziel. [1]

Der IKMW kooperiert derzeit mit zahlreichen Akteur*innen, wie dem Projekt „fluechtlingswohnungen.org“, um mit einer „Kontaktstelle Wohnen“ die Zahl der selbstbestimmt in Wohnungen lebenden Geflüchteten zu erhöhen.
„Dies ist einer der wichtigen Schritte hin zu gesellschaftlicher Teilhabe“, so Kim Schönberg.

[1] http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=3484&dok_art=Drs&leg_per=6&pos_dok=1

Morgen ist heute schon gestern

+++ Der Initiativkreis: Menschen.Würdig. (IKMW) im Jahr 2015 und Perspektiven auf das kommende Jahr +++

Es könnt ein Anfang sein
Das Jahr 2015 startete für den IKMW aus einer Position der Schwäche heraus. Auch wenn sich nach über zwei Jahren politischer Arbeit als Gruppe ein harter Kern aus Aktiven herausgebildet hatte, war dieser nicht sonderlich groß und daher standen Ressourcen nur begrenzt zur Verfügung. Als dann Ende 2014 klar wurde, dass eines der Gründungsziele des IKMW, die Schließung der isolierten Massenunterkunft in der Torgauer Straße, weit in die Ferne rücken wird – schlimmer noch, das Heim sollte zu Sachsens größter kommunalen Massenunterkunft ausgebaut werden – wurde beschlossen Anfang 2015 einen Partizipationsworkshop für neue Aktive zu initiieren. Beworben wurde dieser über die Facebookseite „Dezentralisierung in Leipzig jetzt“ und über Flyer vor allem im Umfeld der ersten Demonstrationen gegen „LEGIDA“. Der Workshop, bei dem zunächst die Entstehungsgeschichte des IKMW rekapituliert wurde, um dann in einer Ideenwerkstatt zu münden, war mit etwa 40 Personen gut besucht. Es wurde eine Kampagne gegen den Ausbau der Asylunterkunft in der Torgauer Straße beschlossen, eine Presse AG wurde ins Leben gerufen und weitere Ideen, wie die Vermittlung von Geflüchteten in Wohngemeinschaften (WGs), wurden gesponnen.

Andre spiel’n Büro-Büro, Projekt-Projekte sowieso, Decken sich mit Arbeit ein
Gerade vielleicht das erste Mal vom IKMW gehört oder diesen nur sehr abstrakt in sozialen Medien wahrgenommen, kamen über diesen Workshop etwa ein Dutzend neue Aktive in den Initiativkreis: Menschen.Würdig. und wurden aufgrund des Partizipationsworkshops sofort in die Aktionen des IKMW eingebunden. Eine Kampagne gegen den Ausbau der Torgauer Straße zur größten kommunalen Massenunterkunft Sachsens wurde aus dem Hut gezaubert: eine Petition wurde gestartet, Stadträt*innen angeschrieben und zu einer Erkundung der Torgauer Straße eingeladen. Außerdem gab es eine sehr aktive Öffentlichkeitsarbeit: Offene Briefe, Pressemitteilungen, Interviews, Ansprachen an Multiplikator*innen und eine sehr gelungene Pressekonferenz zusammen mit der neu gegründeten Initiative „Willkommen im Kiez“, die sich der WG-Vermittlung widmet. Größter Coup war die Einbindung von Wohnungsgenossenschaften, die zum einen die Stadt Leipzig für ihre schlechte Zusammenarbeit kritisierten und zum anderen in Persona des Chefs der größten Genossenschaft der Stadt „Kontakt“ als Vertreter*in an der Pressekonferenz partizipierten. Auch das Netzwerk „Leipzig – Stadt für alle“ verfasste zusammen mit dem „Haus- und Wagenrat e.V.“ eine ausführliche Stellungnahme, warum man mit dem Ausbau der Torgauer Straße „die Chance auf selbstbestimmtes Wohnen und alternative Wohnkonzepte“ verpasse. Der Ausbau der Unterkunft in der Torgauer Straße konnte zwar nicht verhindert werden und somit war die Kampagne schlussendlich in dieser Hinsicht nicht erfolgreich. Allerdings initiierten wir zumindest eine Debatte über den Sinn und den Zweck des Ausbaus. Alle Akteur*innen mussten sich zur Debatte verhalten und die teilweise emotionalen Reaktionen zeigten, dass wir einen wunden Punkt getroffen hatten. Vor allem offenbarte sich nochmals deutlich, dass der Leipziger Flüchtlingsrat scheinbar kein Interesse hat als Lobby für ein selbstbestimmtes Leben geflüchteter Menschen zu fungieren. So zeigten sich Vertreter*innen des Leipziger Flüchtlingsrates mit dem momentanen Zustand der Unterbringung für Geflüchtete nicht nur zufrieden, sie betonten sogar, dass die derzeitige Unterbringungspraxis alternativlos sei – eine Position, die wir nicht nachvollziehen können und über die wir sehr gern einmal öffentlich diskutieren würden.
Auch im Nachgang der Kampagne konnten die gewonnenen Vernetzungen zu Initiativen wie „Willkommen im Kiez“ und „Leipzig – Stadt für alle“ und Wohnungsmarktakteuren wie der Wohnungsgenossenschaft „Kontakt“ produktiv genutzt werden. Diese fruchtbaren Kooperationen sollten künftig ausgebaut werden. „Morgen ist heute schon gestern“ weiterlesen

Visionen für eine menschenrechtsorientierte Asylpolitik

Die Politik der Grenzen, der Einreisekontrollen und Aufenthaltsregelungen muss abgeschafft werden. Wir kritisieren dieses System, das auch und insbesondere Menschen auf der Flucht diskriminiert. Im Grunde fordern wir nichts anderes als Rechte für alle. Konkret schlagen wir Folgendes vor:

1. Das Recht auf Einreise gilt für jeden Menschen. Widerstand dagegen darf nicht länger als Ängste, Sorgen oder Kritik verharmlost werden, sondern ist und bleibt purer Rassismus.

In den letzten Monaten ist in Deutschland neben einer Zunahme an rassistischen Übergriffen auf Migrant*Innen und ihre Unterkünfte, einer Verschärfung des Asylrechts und einem offen zur Schau getragenen gesellschaftlichen Rassismus, auch eine große bürgerliche Solidaritätsbewegung für Geflüchtete entstanden. Im Zuge dieser ist es dazu gekommen, dass auf einmal unkonventionelle Lösungen für Probleme bei der Unterkunft möglich werden, Menschen zahllose Sachspenden abgeben, Wohnraum zur Verfügung stellen und sich in ihrer freie Zeit sowie im Beruf aktiv für die Bedürfnisse von Geflüchteten einsetzen. Doch trotz dieser offensichtlichen positiven Veränderung, etwa zur Situation Anfang der Neunziger, mehren sich auch innerhalb des bürgerlichen Unterstützer*Innenspektrums die Fragen nach „einem Ende der Flüchtlingswelle“ und die Forderungen nach einer Limitierung durch die Grenzbehörden. Schließlich können „wir“ ja nicht „alle“ aufnehmen. Oder anders gesagt, sind „wir“ ja auch „nicht das Sozialamt der Welt“.

Dass Deutschland nur einen kleinen Teil aller Geflüchteten weltweit aufnimmt, gerät dabei völlig aus dem Blickfeld. Wir wollen uns deswegen diesen Stimmen entschieden entgegenstellen und verhindern, dass Menschen nach einem Ende der Flucht fragen, über die Überforderung der eigenen Ressourcen lamentieren und letztendlich offener Rassismus als „Kritik“, „Ängste“ oder „Vorurteile“ bezeichnet wird. Der Diskurs soll wieder hin zu einer echten grenzenlosen Solidarität verschoben werden. Insbesondere, weil es einem Großteil der Menschen in Deutschland finanziell gut geht, muss es selbstverständlich sein, dass alle Menschen, die Hilfe benötigen, hier ohne Vorbehalte willkommen sind.

Außerdem wollen wir klar stellen, dass für uns Flucht (aus welchen Gründen auch immer) genauso wie jede andere Form von Migration, keine Belastung für eine Gesellschaft darstellt und erst Recht keine Gefahr ist: Weder für die Menschen, noch für eine angeblich existierende Form einer homogenen weißen, deutschen, christlichen Abendlandkultur.

Visafreiheit
Wir fordern deswegen, dass alle Menschen egal aus welchem Herkunftsland, welchen Alters, Geschlechts, Hautfarbe oder welcher Religion, unabhängig von ihrem Besitz, Einkommen oder sozialen Status, die Möglichkeit haben müssen, so wie bereits jetzt zahlreiche Menschen aus den Ländern des Globalen Nordens, ungehindert nach Europa mit einem Touristenvisum für 3 Monate einreisen zu können. Somit wollen wir sicherstellen, dass Flüchtende die Möglichkeit besitzen ihren Weg nach Europa nicht über lebensgefährliche Routen durchführen zu müssen, bei denen sie ihr Leben riskieren und nicht selten auch verlieren. Außerdem soll so sichergestellt werden, dass Geflüchtete so ihr Recht auf Asyl hier vor Ort in Deutschland, sowie in jedem anderen europäischen Land, problemlos nach ihrer Ankunft in Anspruch nehmen und gegebenenfalls einklagen können.

Arbeitsmöglichkeit
Zusätzlich zu den Menschen, die vor Krieg, Folter, politischer Verfolgung o.Ä. flüchten, und somit unter dem Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention stehen und ein Recht auf Asyl in Deutschland und der EU haben, kommen auch zahlreiche Menschen nach Europa, die aus anderen (nicht minder schwerwiegenden) Gründen ihre Heimat und ihre Familien verlassen und sich auf einen meist lebensgefährlichen Weg begeben. Diese Menschen, die hierzulande oft abfällig als „Wirtschaftsflüchtlinge“ bezeichnet werden, und deren unverzügliche Abschiebung im Zuge der angeblichen Überforderung Deutschlands mit der aktuellen Situation immer häufiger gefordert wird, haben das gleiche Recht in Deutschland zu leben und zu arbeiten, wie jede andere Person auch. Denn sie fliehen aus nicht minder prekären Verhältnissen in ihrer Heimat und besitzen oft keine Alternative zur Verbesserung ihrer Verhältnisse und der ihrer Familien, als die Flucht und ein Hoffen auf Asyl.

Momentan besitzen sie meistens keine Möglichkeit auch nur für einen Zeitraum weniger Jahre in europäische Länder legal einzureisen, um hier zu arbeiten, zu studieren oder zur Schule zu gehen. Stattdessen sind sie oft gezwungen hohe Summen für einen gefährlichen Weg zu bezahlen. Geld, das viele nicht haben. Diejenigen, die es bis nach Deutschland schaffen, werden im Anschluss kriminalisiert und stigmatisiert und müssen oft ohne Papiere und Sozialversicherung in ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen leben.

Wir wenden uns daher gegen diese Abschottungspraxis und fordern zusätzlich zu der oben erwähnten Visafreiheit eine Möglichkeit für alle Menschen, egal aus welchem Herkunftsland und ohne die Notwendigkeit eine hohe Kaution hinterlegen zu müssen, mit einem Arbeitsvisum in die EU und nach Deutschland einreisen zu können.

Wegfall des Asylverfahrens. Umkehr der Beweislast.
Wenn Menschen auf der Flucht endlich den gefährlichen Weg aus ihrer Heimat nach Europa und bis nach Deutschland geschafft haben, stehen sie erst am Beginn des Asylverfahrens. Jetzt beginnt für viele eine Zeit des Wartens, des Hoffens und des Bangens. Erst wenn das Asylverfahren abgeschlossen ist und die Betroffenen eindeutig bewiesen haben, dass sie nach Ansicht der Behörden legitime Gründe hatten ihre Heimat zu verlassen, ihre Familien zurück zu lassen und ihr Leben zu riskieren, erst dann dürfen sie die Rechte, die sie als Geflüchtete besitzen voll in Anspruch nehmen: In eine eigene Wohnung ziehen und im bestmöglichen Fall eine Ausbildung, ein Studium oder eine Arbeit beginnen und ihre Familien nachholen. Wir fordern die Beweislast umzukehren, sodass in Zukunft der Staat einer Person nachweisen muss, dass ihr Fluchtgrund nicht legitim gewesen sei. Alle Menschen die sich auf den Weg gemacht haben und hier Asyl beantragen, sind auch bis auf weiteres als solche zu behandeln.

2. Das Asylverfahren in seiner jetzigen Form kriminalisiert Menschen die vor Krieg, Hunger und Armut fliehen und erschwert ihnen ihr Recht auf Asyl wahrnehmen zu können

Die Menschen, die derzeit auf ihrer Flucht nach Europa kommen, finden sich einem enormen bürokratischen Apparat gegenüber, welcher sie vor allem in monate- oder jahrelangen Verfahren in ihrer Antragstellung behindern soll, ihre Grundrechte beschneidet und weitere Flüchtende abschreckt. Wir wollen die aktuellen Verhältnisse umkehren und sicherstellen dass die Menschen ihr Recht auf Asyl in Anspruch nehmen können, ohne selbst die Beweislast erbringen zu müssen, dass sie sich aufgrund von legitimen Fluchtgründen (was auch immer das heißen soll) auf ihren Weg gemacht haben. Wir fordern deswegen eine Reform der Erstaufnahme, die es den Menschen ermöglichen soll frei und selbstbestimmt über ihr Leben hier in Deutschland entscheiden zu können.

Einmalige Registrierung
Viele Flüchtende werden auf ihrem Weg von ihrer Heimat bis an die Erstaufnahme-Einrichtungen mehrfach von unterschiedlichsten Behörden registriert. Dadurch zieht sich der Prozess der „Reise“, sowie der Antragstellung unnötig in die Länge. Obwohl zahlreiche Flüchtende bereits im Besitz von Papieren des UNHCR sind, die ihnen einen Flüchtlingsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention zugesteht, werden sie weiterhin an der Einreise in den Schengen-Raum gehindert. Wir fordern, dass allen Menschen die legale Einreise in den Schengen-Raum ermöglicht wird: Sei es mit einem gültigen Reisepass im Rahmen eines 3-monatigen Touristenvisums, einem gültigen UNHCR-Dokument oder wenn keine gültigen Papiere vorliegen, mit einem vom UNHCR an der EU-Außengrenze ausgestellten Dokument. Mit solchen Dokumenten muss es jedem flüchtenden Menschen möglich sein, in ein europäisches Land seiner Wahl einzureisen und dort sein Recht auf Asyl in Anspruch zu nehmen.

Freie Wohnortswahl
Derzeit werden Geflüchtete nach ihrer Ankunft in Deutschland über den Königsteiner Schlüssel auf die unterschiedlichen Bundesländer verteilt. Dabei wird nicht berücksichtigt, ob die Flüchtenden bereits Familienangehörige, Freunde oder Verwandte in anderen Teilen Deutschlands haben, die bei ihrer Ankunft und dem Beginn ihres zukünftigen Lebens enorm wichtig sind. Auch übergeht diese Regelung die unterschiedliche Situation, mit der die Flüchtenden in den verschiedenen Regionen empfangen werden. Die Verteilung dient alleine dazu, dass die „wirtschaftliche Last“ die Flüchtende offenbar primär darstellen, gleichmäßig auf alle Bundesländer entsprechend ihrer Kapazitäten verteilt wird. Da aber der Bund bereits zugesagt hat, die Länder und Kommunen durch Pauschalleistungen pro Kopf finanziell zu unterstützen, und somit eigentlicher Träger der Kosten ist, ist diese erzwungene Verteilung bereits obsolet. Stattdessen müssen Geflüchtete unserer Ansicht nach die Möglichkeit haben selbstständig über ihren Wohnort zu entscheiden.

Existenzminimum in Barleistungen
Anstatt Geflüchtete nach ihrer Ankunft in Massenunterkünften unterzubringen, ihre Bewegungsfreiheit massiv einzuschränken und das ihnen zustehende Existenzminimum in Sachleistungen, wie Essenspaketen und Deutschkursen auszuhändigen, fordern wir die Möglichkeit für Geflüchtete eigenständig über die Verwendung ihrer Leistungen zu entscheiden. Dies ist nicht nur ein grundsätzliches Recht der Betroffenen, sondern spart auch Kosten und Zeit. Tatsächlich zeigen erste Projekte wie in Schwäbisch-Gmünd, dass die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in kommunalen Sozialwohnungen nicht nur von enormem Vorteil ist, sie ist auch langfristig billiger und genauso schnell zu errichten. Anstatt Menschen in Containerstädten und Zeltdörfern unterzubringen, die ebenfalls teuer gebaut werden müssen und oft minimale Standards nicht einhalten, kann durch billigen Wohnraum bereits von Anfang ein Einstieg erleichtert werden. In diesem neu entstandenen Wohnraum können neben Geflüchteten auch andere Menschen leben und es wird so eine räumliche Stigmatisierung verhindert. Menschen die bereits über Freunde, Verwandte oder Unterstützer*Innen vor Ort verfügen, muss es natürlich ebenfalls freigestellt sein bei diesen unterzukommen.

Sofortige Freizügigkeit
Solange sich Geflüchtete in Erstaufnahmeeinrichtungen befinden, unterliegen sie der Residenzpflicht. Daneben gibt es noch weitere Einschränkungen in den Bereichen Arbeit, Schule und Ausbildung. Für die ersten drei Monate gilt für Geflüchtete ein komplettes Arbeitsverbot, danach können sie eine eingeschränkte Arbeitserlaubnis beantragen. Sobald sie die Erstaufnahmeeinrichtung verlassen haben, können Geflüchtete, die bereits eine Aufenthaltsgenehmigung haben, eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis beantragen. Allerdings gilt für Geflüchtete bis zum 15. Monat des Aufenthaltes die Vorrangprüfung: Freie Stellen und Ausbildungsplätze werden von den Jobcentern zuerst an deutsche StaatsbürgerInnen, EU-Bürger*Innen und Ausländer*Innen mit unbegrenzter Arbeitserlaubnis vergeben. Somit wird den Menschen der Zugang zum Arbeitsmarkt massiv erschwert. Zusätzlich dazu werden vielen Geflüchteten (Hoch)Schul- und Berufsabschlüsse aus ihren Heimatländern nicht anerkannt. Währenddessen zeigen private Initiativen, dass das Interesse vieler Arbeitsgeber*Iinnen groß ist; fast so groß wie die Motivation der Menschen, der Untätigkeit und Monotonie der Heime zu entkommen. Den Geflüchteten in Erstaufnahmeeinrichtungen muss daher endlich ihr Recht auf Freizügigkeit ermöglicht werden, nicht nur im Blick auf Bewegungsfreiheit, sondern auch was Arbeiten, Schulen oder Universitäten angeht. Wir fordern eine sofortiges Ende der Residenzpflicht, und eine Arbeitserlaubnis für Geflüchtete ab dem ersten Tag.

Initiativkreis: Menschen.Würdig, Januar 2016
Feedback erwünscht an: menschen.wuerdig@googlemail.com

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