Zentrale Ausländerbehörde Sachsen verstößt gegen Grundgesetz und verletzt mehrfach UN-Kinderrechtskonvention

Der Initiaitvkreis: Menschen.Würdig. beteiligt sich am Bündnis gegen Familientrennung bei Abschiebung. Dazu veröffentlichen wir folgende Pressemitteilung vom 01.07.2016:

Borna – Frau D. und ihr 16-jähriger Sohn wurden am 5.4.2016 aus ihrer Wohnung in Grimma abgeschoben – allerdings ohne ihren zweiten, 13-jährigen Sohn, der zu dem Zeitpunkt nicht zu Hause war. Mutter und Sohn wurden nach Polen gebracht und dort sich selbst überlassen. Das von der Mutter getrennte minderjährige Kind in Grimma verblieb in den folgenden Tagen allein und ohne Fürsorge in der Wohnung.

Mit diesem Vorgehen verstößt die Ausländerbehörde Borna bzw. die übergeordnete Zentrale Ausländerbehörde Sachsen nicht nur gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik, welches in Art. 6 Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt. Dieses Vorgehen verletzt auch die UN-Kinderrechtskonvention mehrfach. Diese besagt unter anderem, dass der Staat bei einer Trennung von Eltern und Kind nicht nur Auskunft über den Verbleib des Kindes geben können muss (Art. 9 Abs. 4,UN- Kinderrechtskonvention), sondern insbesondere auch zum Schutz und zur Fürsorge des Kindes verpflichtet ist (Art. 3 Abs. 1, 2,UN- Kinderrechtskonvention).
Kim Schönberg vom Initiativkreis:Menschen.Würdig. verurteilt das Vorgehen aufs Schärfste: „(….) es ist nicht das erste Mal, dass sächsische Behörden bei Abschiebungen geltendes Recht brechen. Insbesondere die sächsische CDU flankiert dieses Vorgehen. Beispielsweise hat der sächsische CDU Fraktionschef Frank Kupfer im August 2015 gefordert, Familien bei Abschiebungen auch trennen zu können. Besonders christlich ist die Idee nicht, rechtsstaatlich auch nicht.“

Frau D. hat gegen die verantwortlichen Mitarbeiter*innen Strafanzeige erstattet. Rechtlich gegen rechtswidrige Behandlungen vorzugehen ist für Betroffene in Sachsen in vielen Fällen jedoch so gut wie unmöglich und wird von offizieller Seite nicht unterstützt. Der Verein Peperoncini e.V. aus Leipzig finanziert deshalb mit Hilfe eines privaten Rechtshilfefonds eine Strafrechtsanwältin für die Mutter.

Landtagsabgeordnete Juliane Nagel hat derweil eine Kleine Anfrage im Landtag eingereicht: “Dieser Vorfall muss Konsequenzen haben. Die verantwortliche Landesbehörde muss sich genau wie die ausführenden Vollzugsbeamten fragen lassen, warum sie diese offensichtlich rechtswidrige Maßnahme angeordnet und vollzogen haben. (…) Scheinbar missachtet Sachsen in seinem vollkommenen Abschiebungsrausch verbriefte Rechte von Menschen.”

Initiativkreis: Menschen.Würdig. fordert sebstbestimmtes Wohnen statt neuer Sammelunterkünfte

Initiativkreis: Menschen.Würdig. fordert sebstbestimmtes Wohnen statt neuer Sammelunterkünfte

Im Leipziger Stadtrat soll am 23.3.2016 über zwei Bauprojekte für Unterkünfte für Geflüchtete entschieden werden. Auf dem Grundstück ‚Prager Dreieck‘ sollen mindestens 364 und in der Diezmannstraße 12 zirka 500 Geflüchtete in Neubauten untergebracht werden. Insgesamt kosten die Vorhaben die Stadt 6,7 plus mindestens 8,3 Millionen Euro.

Der Initiativkreis: Menschen. Würdig. hält dies für eine falsche Richtungsentscheidung: „Sammelunterkünfte sind und bleiben die falsche Form der Unterbringung von Geflüchteten. Ein zentraler Schritt zur gleichberechtigten Teilhabe ist das selbstbestimmte Wohnen in eigenen Wohnungen. Anstatt Millionen von Euro in Unterkünfte zu investieren, die

der Isolation Vorschub leisten und in höchstem Maße desintegrierend wirken, sollte die Stadt alle Kraft in den Neubau von Wohnungen stecken und beim Freistaat noch mehr Druck für soziale Wohnraumförderung machen. Wohnungen sind die richtige Alternative zu Sammelunterkünften.“ so Kim Schönberg.

Zwar ist die Abkehr von der Idee, gebrauchte Büromodule einzusetzen, begrüßenswert. Statt neue Häuser zu bauen, die „später an anderen Orten weitergenutzt werden“ (so der Leiter der städtischen Projektgruppe Asylräume) ist jedoch die Förderung von mehr bezahlbaren Wohnraum für alle nachhaltiger, integrativer und somit sinnvoller.

Doch es geht nicht nur um die reine Bautätigkeit. Dies ist die Erkenntnis des am Samstag stattgefundenen Symposiums „Das Wohnen lernen?“ zur Unterbringungspraxis von Geflüchteten und Wege zum selbstbestimmten Wohnen des Initiativkreis: Menschen. Würdig., das zusammen mit dem Kulturbüro Sachsen veranstaltet wurde. Daran nahmen zirka 150 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet teil. In verschiedenen Beiträgen wurde die Massenunterbringung von Geflüchteten und ihre Ursprünge und Auswirkungen kritisch beleuchtet.

Diese gegenwärtige Praxis scheint sozialpolitisch der Wohnungslosenhilfe entlehnt, nach der sich Menschen erst „bewähren“ müssen ehe sie ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden beginnen können. Paradigmatisch dafür steht die so genannte Wohnfähigkeitsprüfung, mit der die „Wohnfähigkeit“ von Geflüchteten nach fragwürdigen Kriterien überprüft wird. In Potsdam wurde dieser Praxis durch ein Rechtsgutachten, nach dem diese Prüfung gegen das Grundgesetz und den Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt, Einhalt geboten. In Leipzig müssen Geflüchtete ein solches Prüfverfahren weiterhin durchlaufen, ehe sie in Wohnungen ausziehen dürfen. Demgegenüber steht der so genannte „Housing First“-Ansatz, den der US-amerikanische Psychologe Sam Tsemberis vorstellte. „Housing First“ bedeutet begleitetes Empowerment. Geflüchtete würden sofort in Wohnungen ziehen und die soziale Betreuung würde individuell und in Zusammenarbeit mit den Geflüchteten gestellt.

Kim Schönberg: „Housing First konnte sich in der Obdachlosen-Hilfe durchsetzen und wird inzwischen auch in Europa in anderen Bereichen sozialer Arbeit angeboten. Auch für das Wohnen Geflüchteter ist dieser Ansatz der Richtige. Die Menschen werden nicht entmündigt, sondern stark gemacht ihr eigenes Leben in die Hand zu nehmen. Dafür ist aber eine bedürfnisorientierte soziale Betreuung nötig. In Leipzig gibt es bisher lediglich 4 halbe Stellen, die über 1700 dezentral – also in Wohnungen – lebende Geflüchtete unterstützen.“

Abgetrennte Wohneinheiten, wie sie in dem neuen Bauvorhaben geplant sind, sollten als Mindeststandard selbstverständlich sein. Dass sich Leipzig damit brüstet, ganze 1,5m² über dem sächsischen Standard und damit bei 7,5 m² Wohnfläche pro Person, zu stehen ist zynisch und absurd.

Der Initativkreis: Menschen.Würdig. wird die Unterbringungspraxis der Stadt Leipzig weiter kritisch-konstruktiv begleiten: „Es geht darum weg zu kommen von der reinen Unterbringung von Menschen – als wenn jene reine Objekte wären, die auf einer definierten Quadratmeterzahl gelagert werden müssten. Selbstbestimmtes Wohnen für alle muss stattdessen das Ziel sein.“

Symposium zur Unterbringungspraxis von Geflüchteten und Wege zum selbstbestimmten Wohnen

Pressemitteilung und Einladung zum Hintergrundgespräch 07. März 2016

„Das Wohnen lernen?‟

Symposium des Initiativkreis: Menschen.Würdig. und des Kulturbüro Sachsen e.V. nimmt die Unterbringungspraxis von Geflüchteten kritisch in den Fokus und sucht nach Wegen zum selbstbestimmten Wohnen

Am 12. März veranstaltet der Initiativkreis: Menschen.Würdig gemeinsam mit dem Kulturbüro Sachsen e.V. das Symposium „Das Wohnen lernen? Zur Unterbringungspraxis von Geflüchteten und Wege zum selbstbestimmten Wohnen‟. Die von der Rosa­Luxemburg­Stiftung und dem Bildungswerk Weiterdenken e.V. in der Heinrich­Böll­Stiftung mitveranstaltet und von ProAsyl, der Amadeu­Antonio­Stiftung unterstützte Tagung rückt die gängige Unterbringungspraxis kritisch in den Fokus.

Seit den 1980er Jahren ist die Sammelunterbringung gesetzlich vorgeschrieben und bleibt im politischen wie auch sozialpädagogischen Diskurs – trotz vielfältigen Bemühungen zur dezentralen Unterbringung – als Rahmen bis auf Ausnahmen unangetastet. Dabei bedeutet sie vor allem für die Betroffenen die Einschränkung der Selbstbestimmtheit, sie führt zu Isolation und verhindert Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die aktuelle Robert­Bosch­Studie, die erste umfassende wissenschaftliche Untersuchung zur Aufnahme von Flüchtlingen in Bundesländern und Kommunen belegt zudem, dass Sammelunterkünfte die Akzeptanz von Geflüchteten in der Bevölkerung erschweren.

Diese gegenwärtige Praxis ist sozialpolitisch der Wohnungslosenhilfe entlehnt, nach der eine „Wohnfähigkeit‟erst ausgebildet werden müsse. Ihr stehen US­amerikanische wie europäische Projekte der Wohnungslosenhilfe gegenüber: Sie operieren bereits erfolgreich nach dem Prinzip „Housing first‟.

Ziel des Symposiums ist dementsprechend neben einer Analyse der Wohn­ und Lebenssituation von Geflüchteten, US­amerikanische und europäische Projekte der Wohnungslosenhilfe den gegenwärtigen Praxen gegenüber zu stellen und zu diskutieren. So sollen neue Entwicklungen in der Sozialen Arbeit in den Blick genommen und eine Willkommenskultur für Geflüchtete als Bewährungsfeld für die solidarische Stadtentwicklung der Zukunft erörtert werden.

Als Referent*innen konnten die Veranstalter*innen unter anderem Kay Wendel und Napuli Langa aus Berlin und Klaus Maurer aus Wien gewinnen. Ein Höhepunkt ist der Input von Sam Tsemberis, Professor an der Columbia University in New York. Er hat in den neunziger Jahren das Modell „Housing first‟ maßgeblich vorangebracht, das die nordamerikanische Wohnungslosenhilfe revolutioniert hat und heute auch von der EU in zahlreichen Pilotprojekten favorisiert wird. Gegen große Widerstände setzte sich die neue Methode seiner Organisation „Pathways to Housing‟durch und beendete in zahlreichen nordamerikanischen Bundesstaaten das Belohnungssystem der geltenden Sozialpolitik, nach dem Menschen sich das Wohnen in eigenen Wohnungen durch gutes Verhalten in Gemeinschaftsunterkünften erst verdienen mussten.

Kim Schönberg vom Initiativkreis: Menschen.Würdig. erklärt:
„Seit mehreren Jahren engagieren wir uns für eine menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten. Dies hat nichts mit karitativem Handeln zu tun, wir betrachten selbstbestimmte Wohnen als Kern einer gleichberechtigten Teilhabe an Gesellschaft. Mit unserem Symposium wollen wir das Paradigma der Entmündigung durch gesetzlich vorgeschriebene Sammelunterbringung und Wohnfähigkeitsprüfungen auf den Prüfstand stellen und nach tragfähigen Alternativen suchen.‟

Die Frage nach Konzepten für eine menschenwürdige Unterbringung beschäftigen derzeit viele Menschen. Dafür sprechen die Anmeldezahlen: schon jetzt haben sich mehr als 100 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet angemeldet.

Das Symposium findet am 12. März 2016, 9:30 bis 19:30 im Geisteswissenschaftlichen Zentrum der Universität Leipzig statt.
Weitere Informationen finden Sie unter: http://www.menschen­wuerdig.org/symposium/

Für interessierte Journalist*innen gibt es während der Tagung eine Akkreditierung. In der Zeit zwischen 13:00 und 14:00 wird von den VeranstalterInnen ein Pressegespräch zu den Hintergründen des Symposiums angeboten. Falls sie Interesse an Interviews mit einzelnen Referent*innen haben, melden Sie sich bitte bis zum 10. März 2016 unter: 0157­57679681 oder susanne.loehne@kulturbuero­sachsen.de