Landrat Michael Czupalla gibt Erklärungen ab – und nimmt 1200 Kontra-Unterschriften mit
Rackwitz/Kreisgebiet. Das hat die 5000-Einwohner-Gemeinde Rackwitz noch nicht erlebt: Rund 300 Leute, auch aus Nachbargemeinden, versammelten sich am Donnerstagabend, um Näheres über das vor Ort geplante Asylbewerberheim zu erfahren. Landrat Michael Czupalla (CDU) war gekommen, um Erklärungen zu geben. Entscheidungen seien noch nicht gefallen, betonte er immer wieder. Viele Fragen blieben zunächst offen.
Von Kay Würker
Die Ausgangslage ist unverrückbar: Die Zahl der Flüchtlinge, die aktuell in Deutschland nach Asyl suchen, ist deutlich gewachsen. In Sachsen hat sie sich im ersten Halbjahr 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mehr als verdoppelt. In der zentralen Aufnahmeeinrichtung in Chemnitz wurden zwischenzeitlich sogar Zeltlager eingerichtet (wir berichteten). Die Flüchtlinge werden nun auf Einrichtungen in den Großstädten und Landkreisen aufgeteilt – Nordsachsen soll dieses Jahr insgesamt 260 Personen aufnehmen. Die bestehenden Kapazitäten genügen dafür nicht, es wird nach weiteren Quartieren gesucht. Vier, fünf Standorte im Landkreis seien derzeit in der Prüfung, sagte Ordnungsdezernentin Angelika Stoye am Donnerstag. Das ehemalige Lehrlingswohnheim in der Leipziger Straße in Rackwitz ist einer davon – der erste, der öffentlich bekannt geworden ist. Und nun in der öffentlichen Diskussion steht.
Wie stark, das demonstrierten am Donnerstagabend rund 300 Einwohner – mit Transparenten, zahlreichen Fragen und einer Liste von, wie es hieß, etwa 1200 Unterschriften, die den Protest gegen die geplante Eröffnung eines Asylbewerberheimes in Rackwitz ausdrücken sollen. Anlass der Zusammenkunft war eine Gemeinderatssitzung, die schließlich vom Rathaus in die Turnhalle verlagert wurde.
Neben Landrat Michael Czupalla rückten dort auch der Rackwitzer Bürgermeister Manfred Freigang (UWV) und Bernd Merbitz, Präsident der Polizeidirektion Leipzig, in den Mittelpunkt, wurden von Anwohnern umringt. Dabei war es fast ausschließlich der Landrat, der sich an die breite Kulisse der Heim-Kritiker wandte. Er verzichtete auf das eilends organisierte Mikrofon – und hatte es entsprechend schwer, sich stimmlich durchzusetzen. Er erklärte, dass seit März/April mehrere Objekte im Landkreis auf Tauglichkeit als Flüchtlings-Unterkunft geprüft würden. Mit den Bürgermeistern der betroffenen Kommunen sei er im Gespräch, für gestern um 7.30 Uhr war ein weiteres Treffen angesetzt. Um welche weiteren Standorte es sich handele, darüber wird aktuell nicht öffentlich gesprochen. Neben den Bürgermeistern seien aber auch die entsprechenden Gemeinde- beziehungsweise Ortschaftsräte informiert, sagte Angelika Stoye auf Nachfrage. In Rackwitz sei ausschließlich das Ex-Lehrlingswohnheim im Blick.
„Es ist bis jetzt nichts entschieden. Wenn wir Klarheit haben, bin ich wieder hier zum Bürgergespräch“, kündigte der Landrat an. Allerdings wurden am Donnerstagabend immer wieder Zweifel laut, dass tatsächlich noch alles offen ist. Eine Info-Vorlage an die Mitglieder des Kreistags-Vergabeausschusses, der am Dienstag tagte, berichtet über das Ergebnis der beschränkten Ausschreibung zur Unterbringung von Flüchtlingen. Demnach habe sich nur ein Bieter gemeldet, eine Firma aus Hessen, die bereit ist, das Ex-Lehrlingswohnheim für 120 Personen herzurichten und zu betreiben. Weitere Bieter gebe es nicht, vorbehaltlich bauordnungsrechtlicher Zulässigkeit werde der Zuschlag erteilt. Christoph Bienert, ein Initiator der Unterschriftensammlung, der die Ausschusssitzung besucht hatte, wandte sich an Angelika Stoye: „Sie haben dort gesagt, es gebe zu Rackwitz keine Alternative.“ Auf Nachfrage erklärte die Dezernentin, dass die Wiederbelebung des Ex-Lehrlingsheimes als Asylunterkunft de facto feststehe, aber noch nicht die Zahl der Plätze.
Zahlreiche Anwohner betonten in der Diskussionsrunde, dass sie sich von rechtsradikalem Gedankengut distanzieren, sie sich lediglich Gehör für ihre Sorgen und Fragen wünschen. Auch Bürger ausländischer Herkunft zählten am Donnerstagabend zu den Gästen.