Ahmadiyya-Vorsitzender wirbt vor 550 Besuchern in Michaeliskirche für Vorhaben / OBM betont Freiheit des Glaubens
Rund 550 Besucher haben gestern Abend das Bürgerforum in der Michaeliskirche zum geplanten Moscheebau besucht. Abdullah Uwe Wagishauser erläuterte die Grundlagen der Ahmadiyya sowie das Vorhaben der 70 Mitglieder starken Gemeinde, die in der Georg-Schumann-/Ecke Bleichertstraße eine Moschee errichten will.
Vorgesehen sei kein Protzbau, betonte Wagishauser, Vorsitzender der islamischen Ahmadiyya-Muslim-Jamaat-Religionsgemeinschaft (AMJ). Es gehe um ein zweistöckiges Gebäude auf 170 Quadratmetern Grundfläche. Darin würden zwei Gebetsräume von je 62,5 Quadratmetern, ein Meetingraum mit 21 Quadratmetern, zwei Büros sowie WC-Anlagen entstehen. Anwohner bräuchten sich keine Sorgen um Belästigungen zu machen. Gute Nachbarschaft sei seiner Gemeinde wichtig. Es gebe keinen öffentlichen Gebetsruf vom Minarett, es werde niemand an der Haustür aufgesucht und es würden auch keine Kinder auf dem Schulweg angesprochen. Solche Sorgen waren im Vorfeld des Forums geäußert worden – neben vielen anderen.
Wagishauser betonte: Die AMJ stehe für die Trennung von Staat und Religion, für Religionsfreiheit, Gleichwertigkeit von Frau und Mann, sexuelle Selbstbestimmung sowie für Loyalität zu dem Staat, in dem man lebe. „Wir verwurzeln in diesem Land“, sagte er. Auch die Bäume auf dem Grundstück sollten möglichst erhalten bleiben. Die Moschee werde offen für Interessenten sein, alle Veranstaltungen würden zweisprachig auf Deutsch und Urdu abgehalten. Die Ahmadiyya-Gemeinde distanziere sich klar von islamistischer Gewalt. Ahmadiyya werde in einigen islamischen Staaten wie Pakistan selbst verfolgt. Die Gemeinde zählt in Deutschland laut Wagishauser 35000 Mitglieder, 80 Prozent hätten die deutsche Staatsbürgerschaft.
Die Berliner SPD-Politikerin Christa Müller berichtete von den Erfahrungen im Vorfeld eines Moschee-Baus in Ost-Berlin. Auch dort – in Heinersdorf – habe es erst eine aufgeheizte Stimmung gegeben, sich die Situation dennoch bald beruhigt. Michaeliskirchen-Pfarrer Ralf Günther hatte zum Anfang betont: Menschen mit Ängsten, Sorgen und Nöten dürften nicht in eine rechtsextreme Ecke gestellt werden. Er stehe für die Freiheit der Religionsausübung. Und: „Wir stehen als Kirchengemeinde für einen offenen und respektvollen Dialog.“
Nach einem sachlichen Einstieg entwickelte sich die Atmosphäre in der Kirche jedoch äußerst hitzig. Karsten Gerkens, Chef des Amts für Stadterneuerung, musste lautstark zur Ordnung rufen. Auch der Sicherheitsdienst griff ein, verwies aber niemanden des Raumes. „Keiner hat etwas davon, wenn wir hier in Brüllereien verfallen“, erklärte Gerkens.
Beim Beifall und den Wortmeldungen aus der Bürgerschaft hielten sich Befürworter und Kritiker des Projekts etwa die Waage. So meinte ein älterer Mann, der einst in Braunschweig Städtebau studierte, eine Moschee gehöre nicht an eine Magistrale, sondern ins Stadtzentrum. Der Gohliser Klaus Tennhardt plädierte für einen Standort „hinter der Kroch-Siedlung“ am äußersten Stadtrand. Rainer Weber aus Frohburg erzählte, er habe vor Jahren bei einer Ahmadiyya-Veranstaltung in Mannheim Plakate gesehen, die für ein „nachhaltiges Missionsbegehren dieser Gemeinde“ sprächen. Christian Ehnert warf den Veranstaltern vor, sie würden „wie bei den Kommunisten“ ohne das Volk entscheiden, mit dem Forum nur eine Show abziehen. Sabine Fritzsche, die in der Bleichertstraße wohnt, äußerte ihre Sorge, dass die Parkplätze nicht reichen.
Hingegen bekundeten zum Beispiel ein Gohliser Jugendlicher namens Tom, eine Architektin, deren beide Kinder in die nahe gelegene Schule gehen oder die frühere SPD-Stadträtin Anke Kästner Sympathie für das Projekt, zu dem noch weitere Info-Veranstaltungen geplant sind. Roland Krause, der vor 60 Jahren in der Michaeliskirche getauft wurde und dort später Flugblätter gegen den SED-Staat druckte, fand es „beschämend“, dass viele Leute das 1989 auch erkämpfte Recht auf freie Religionsausübung nicht mehr gelten lassen wollten.
Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) pochte auf das Grundgesetz, insbesondere auf die Würde des Menschen und die verfassungsrechtlich garantierte Religionsfreiheit. „Jeder Mensch in diesem Land soll und darf seine Religion frei und unbeeinflusst ausüben, ohne Gängelung durch den Staat.“ Der Staat dürfe erst eingreifen, wenn eine Religion gegen die Würde des Menschen verstoße. Es gebe aber keine Anzeichen dafür, dass die Ahmadiyya-Gemeinde nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehe. Den Imam an der Roscherstraße sehe er dagegen kritisch. Es gebe eben auch in dieser Glaubensrichtung verschiedene Ausprägungen. „Gerade, wenn wir an die Freiheit glauben, müssen wir für die Freiheit des Glaubens eintreten“, so Jung. Björn Meine / Jens Rometsch
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