Leipzig. Mehr als 550 Leipziger haben am Donnerstagabend in der Michaeliskirche weitgehend sachlich, bisweilen auch hitzig, über den geplanten Neubau einer Moschee in Leipzig-Gohlis diskutiert. Auf der von zahlreichen Sicherheitskräften begleiteten Infoveranstaltung der Kommune sorgten allerdings auch gut drei Dutzend Rechtsradikale, unter ihnen der stellvertretende NPD-Landesvorsitzende Maik Scheffler, für lautstarke Störungen der Runde.
Nach Wochen verschiedenster Reaktionen auf die Bauankündigung stellten sich am Donnerstag neben Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) und Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau (parteilos) auch Moschee-Bauherr Abdullah Uwe Wagishauser (Bundesvorsitzender der Ahmadiyya Muslim Jamaat), Karsten Gerkens (Amtsleiter Stadterneuerung und Wohnungsbau), Stojan Gogutschkow (Leiter des Referates Migration und Integration) sowie Ralf Günther (Pfarrer der Michaeliskirche) den Fragen der Bürger. Vor der offenen Diskussion versuchten die Podiumsmitglieder zudem Einblicke in die baurechtliche Situation, das geplante Vorhaben sowie in die dann dort ansässige Religionsgemeinschaft zu geben.
Wie OBM Jung erklärte, habe die Stadtverwaltung „überhaupt keine Bedenken, dass die Ahmadiyya-Gemeinde nicht auf dem Grundgesetz beruhe.“ Mit Blick auf die Religionsfreiheit in Deutschland gebe es deshalb keine Basis für eine Ablehnung des Bauvorantrages. Baubürgermeisterin Dubrau und ihr Amtsleiter Gerkens verwehrten sich gegen Anschuldigungen, die Stadt habe zu spät über den Bau informiert. „Wir sind derzeit noch im Status der allerersten Anfrage und haben zum frühstmöglichen Zeitpunkt mitgeteilt, dass es diesen Antrag gibt. Noch schneller ging es wirklich nicht“, so Dubrau.
Laut der Baubürgermeisterin werde die Moschee eine Bereicherung für die gescholtene Georg-Schumann-Straße sein. Hinsichtlich geäußerten Befürchtungen, dass die Grundstückspreise im Stadtteil mit der neuen Moschee fallen, sagte Dubrau augenzwinkernd: „Ich glaube, in Zukunft wird auch hier eher das Problem sein, dass die Grundstückspreise weiter steigen.“
Abdullah Uwe Wagishauser, der Bundesvorsitzende der Ahmadiyya-Gemeinde, versuchte in der Vorstellung seiner Glaubensrichtung pauschale Vorurteile gegenüber Muslimen auszuräumen. Die Ahmadiyya verstehe sich als Reformgemeinde, die deshalb auch in anderen islamischen Ländern verfolgt werde. „Unsere Moscheen sind immer offen, wir möchten aus dem Hinterhof raus, wir wollen uns nicht verstecken“, so Wagishauser.
Berliner Moschee-Nachbarin erläutert Erfahrungen
Vorwürfe aus dem Publikum, unter anderem von NPD-Mann-Scheffler, die Ahmadiyya betreibe eine aggressive Missionierungspolitik, beantwortete neben Wagishauser auch Michaelis-Pfarrer Ralf Günther: „Auch ich habe mit meiner Religion einen raumgreifenden Anspruch.“ Günther wies zudem darauf hin, dass die Christen genau wie die Muslime keine einheitliche Gemeinde seien und die Bürger an diesem Abend deshalb auch alle kritischen Fragen auch an ihn als Christen stellen könnten.
Um die Bedenken der zum Teil aufgebrachten Bürger noch weiter zu zerstreuen, hatte die Stadt auch Christa Müller eingeladen, die seit 2008 im Berliner Stadtteil Heinersdorf in direkter Nachbarschaft zu einer Ahmadiyya-Moschee lebt. „Die Ängste und Befürchtungen, die hier gegen den Bau vorgetragen werden, kommen mir sehr bekannt vor“, so Müller, die anfügte: „Ich kann ihnen versichern: Nichts davon ist eingetreten.“ Vielmehr leben die Heinersdorfer inzwischen in guter Nachbarschaft mit der muslimischen Gemeinde, sagte die Berlinerin.
Wie Karsten Gerkens zum Abschluss der Diskussionsrunde bekannt gab, sollen am 30. November auf Kosten der Stadt auch zwei Busse von Leipzig nach Heinersdorf fahren. Damit haben interessierte Gohliser die Möglichkeit, sich vor Ort über das gemeinsame Zusammenleben mit der Ahmadiyya-Gemeinde zu informieren.
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