Morgen ist es ja wieder Thema: „Und sie gebar ihren ersten Sohn, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Platz in der Herberge.“ Denn sie waren aus Nazareth gekommen nach Jerusalem. Das Thema Asyl ist nach wie vor eines, das zum Kern unserer Gesellschaft gehört. Wenn auch arg ramponiert. Das kritisiert nun kurz vorm Fest auch Leipzigs Sozialbürgermeister Thomas Fabian.
Die geplante Neufassung des Asylbewerberleistungsgesetzes, mit der eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 umgesetzt werden soll, wird von Leipzigs Sozialbürgermeister Thomas Fabian zwar begrüßt: „Mit diesem Gesetzesentwurf erfolgen Verbesserungen zur Sicherung des Existenzminimums für Asylbewerber.“
Aber der Entwurf bleibe dennoch hinter den Erwartungen zurück, so Fabian: „Im Asylbewerberleistungsgesetz muss der Vorrang von Sachleistungen entfallen. Kommunen sollten selber entscheiden können, ob sie Sach- oder Geldleistungen ausgeben. Seit 2008 hat die Stadt Leipzig gute Erfahrungen mit der Gewährung von Geldleistungen zur Sicherung des existenznotwendigen Bedarfs von Flüchtlingen gemacht. Dieser von uns in Abstimmung mit dem Freistaat Sachsen gewählte Weg ist besonders geeignet, die Selbständigkeit und damit eine erfolgreiche Integration von Anfang an zu fördern. Vor allem aber geht es dabei um die Achtung der Würde auch von Flüchtlingen.“Fast vergessen ist, dass das Asylbewerberleistungsgesetz 1993 nach einer langen und heftigen Debatte in Kraft trat und die Rechte von Asylbewerbern in Deutschland stark beschnitt. Auslöser der Debatte waren nicht wirklich die gestiegenen Antragstellerzahlen gewesen, sondern die ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Hoyerswerda (1991) und Rostock-Lichtenhagen (1992). Eine Debatte, die seinerzeit völlig schräge Töne annahm und monatelang von einer Asylmissbrauchs-Diskussion überlagert wurde, mit der insbesondere konservative Debattanten es schafften, die Asylgesetzgebung zu verschärfen und nicht nur die einzelnen Leistungen stärker zu regulieren, die Anwartschaften zu reglementieren und auch die Abschiebungen zu forcieren. In erstaunlicher Verdrehung der Ursachen wurden die fremdenfeindlichen Vorgänge letztendlich zum Anlass, die Gesetzgebung gegen die Asylsuchenden zu verschärfen.
Und der jetzt im Entwurf gestartete Versuch, wieder unterschiedliche Klassen von Asylsuchenden (aus „sicheren“ und „unsicheren“ Ländern) zu definieren, zeugt genauso vom alten, auf Abschottung zielenden Denken wie der Versuch, die Verpflegungssätze zu differenzieren, als wenn Bedürftige aus unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Grundbedürfnisse hätten. Erst im Sommer hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass auch für Asylsuchende das Existenzminimum von einheimischen Sozialhilfebedürftigen gelte.
Zuweilen erschrickt man schon darüber, wie tief auch in politisch verantwortlichen Gremien ein Denken verankert ist, das Menschen unterschiedlicher Herkunft auch unterschiedlichen Klassen zuordnet. Es ist nicht mal ein wirtschaftlich sinnvolles Denken. Denn gleichzeitig werden die Asylbewerber vom Arbeitsmarkt abgeschottet und damit auch von einer echten sozialen Integration.Letztendlich wird dadurch auch – auf ganz bürokratische Weise – das Menschenrecht auf freie Wohnortwahl komplett ausgehebelt. Man versucht ganz amtlich, das Leben und die Zukunft von Menschen zu steuern.
Worauf in Leipzig zum Internationalen Menschenrechtstag am 10. Dezember die Grüne Jugend mit einer eigenen Aktion aufmerksam machte. Sie verwiesen bei der Gelegenheit auf die am 10. Dezember 1948 verabschiedete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Sowohl die Europäische Union als auch Deutschland berufen sich gern auf die gemeinsamen europäischen Rechte und Freiheiten und geben vor, Menschenrechte in den Mittelpunkt ihrer Politik zu stellen und diese zu achten.
„Doch scheinbar gelten zum Beispiel das Recht auf Bewegungsfreiheit oder das Recht um Asyl zu bitten, nicht ausnahmslos für alle, sondern nur für die wirtschaftlich Erwünschten und die Bürger*innen der EU“, kritisierte die Grüne Jugend. „An den europäischen Außengrenzen hingegen werden diese Rechte ebenso missachtet, wie auch die deutsche Gesetzgebung in Form des Asylbewerber*innenleistungsgesetz eine klare Verletzung von Menschenrechten darstellt.“
Die Grüne Jugend Leipzig nahm dies zum Anlass, um mit einer Aktion in der Leipziger Innenstadt auf die Problematik europäischer und deutscher Migrationspolitik aufmerksam zu machen.
„Symbolisch errichteten wir jene Grenzen, die für die Meisten von uns nicht mehr spürbar sind, aber für eine große Anzahl von Menschen eine tagtägliche Begrenzung ihres Rechts auf ein selbstbestimmtes Leben darstellen. Residenzpflicht, Gutscheinsysteme statt Bargeld und die Unterbringung in Heimen weit außerhalb jeglicher Infrastruktur, stellen eine Verletzung grundlegender Rechte von Asylsuchenden und Flüchtenden dar“, erklärte Norma Tiedemann von der Grünen Jugend Leipzig dazu. „Wir fordern daher eine Abschaffung des diskriminierenden Asylbewerber*innenleistungsgesetzes auf Bundesebene ebenso wie eine menschenwürdige und dezentrale Unterbringung auf Kommunal- und Landesebene sowie ein Ende der Aufrüstung der europäischen Außengrenzen u.a. durch die Grenzschutzagentur FRONTEX.“
(Ralf Julke, 23.12.2012, Quelle: l-iz)