Der Protest gegen die geplante Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde in der Georg-Schumann-Straße zieht seine erwartbaren Kreise. Am Donnerstag, den 17. Oktober gründete sich die „Bürgerinitiative Gohlis sagt nein“, nachdem ein erster Anlauf am Mittwoch aufgrund erheblicher Polizei-, Medien- und Neonazi-Präsenz geplatzt war. Auch die CDU ist mittlerweile mit im Boot und argumentiert mit Bauvorschriften und einer benachbarten Grundschule.
Der CDU-Ortsverband Leipzig-Nord argumentiert mit Paragraphen. „Der Bau einer Moschee im orientalischen Stil steht im Spannungsfeld zur baulichen und kulturellen Umgebung“, meint der Vorsitzende Wolf-Dietrich Rost. „Die Regelungen nach Paragraph 34 des Baugesetzbuches, die für eine Bebauung bindend sind, schreiben vor, dass sich das Objekt in die bauliche Eigenart der Umgebung einfügen muss. Bei diesem Bauvorhaben ist dies aus meiner Sicht nicht gegeben. Weiterhin beeinträchtigt das Vorhaben das Ortsbild und steht damit ebenfalls in Widerspruch zum Einfügungsgebot des Paragraphen 34.“
Angesichts der ausgeprägten postmodernen Neubautätigkeit der katholischen Kirche am Wilhelm-Leuschner-Platz ein Einwurf, welchen man letztlich bei jedem dominanten Neubau, zumal religiöser Art in Leipzig vorbringen kann. Wie stichhaltig er die eigentlich entstehende religiöse Debattenfront pro oder contra Moscheebau beschreibt oder vorgeschoben ist, mag der Bürger in den kommenden Monaten und Jahren an beiden Gebäuden der verschiedenen Glaubensrichtungen entscheiden.
Der sächsische Landtagsabgeordnete und Leipziger Stadtrat Wolf-Dietrich Rost, dessen Ortsverband bereits aktiv in der aufgeheizten Stimmung während der Debatte um den geplanten Standort eines Asylbewerberheims in Leipzig-Wahren auftrat, packt darüber hinaus jedoch ein Argument auf den Tisch, welches selbst bereits indirekt Vorurteile formuliert: „Zudem geht aus verschiedenen Berichten hervor, dass die Ahmadiyya Muslim Gemeinde, die Träger dieses Bauvorhabens ist, sich offensiv missionarisch darstellt und dies im Zusammenhang mit der Nähe zur Erich-Kästner-Grundschule eher kritisch zu betrachten ist.“ Woher der konservative Politiker die Annahme nimmt, die Ahmadiyya-Gemeinde würde mit dem Bau einer Moschee dazu übergehen, an einer Grundschule zu missionieren, lässt er offen.
Sicher ist jedoch, dass man auch so Ängste und Ressentiments ohne Belege vorab schüren kann. Die neue Bürgerinitiative bedient sich im Internet unterdessen eines pragmatischeren Arguments. Es gäbe in Leipzig bereits ausreichend Moscheen. Betrachtet man die derzeitige Situation islamischer Gemeinden in Leipzig näher, bemerkt man schnell, dass in der Messestadt keine repräsentative Moschee im orientalischen Stil existiert. Ganz zu schweigen von der Unterscheidung verschiedener islamischer Glaubensströmungen, welche noch durch die besorgten Gohliser einmal mehr zu einem Einheitsbrei verrührt werden.
Weitere anonym vorgebrachte Argumente von vereinzelten Anwohnern sind mittlerweile auch auf L-IZ.de in den Kommentarfeldern aufzufinden. Von Befürchtungen um sinkende Immobilienpreise ist zu lesen. Warum, bleibt auch hier unbegründet – es wird einfach als gegeben angenommen. Die Facebookseite der „Bürgerinitiative Gohlis sagt Nein“ hat unterdessen binnen von 20 Stunden 332 Daumen nach oben gesammelt. Wie die Debatten jedoch zeigen, sind die Gegner der Moschee dort beileibe nicht allein und eher verhalten in ihren Statements. Es wird dennoch bereits heftig diskutiert. Allerdings mehr gegen die Initiative.
Zur Webseite der Ahmadiyya-Gemeinde
www.ahmadiyya.de
Zur Facebookseite von „Gohlis sagt nein“
www.facebook.com/pages/Bürgerinitiative-Gohlis-sagt-Nein
Update 19:40 Uhr
Andere Töne als die aus der CDU kamen hingegen vom SPD-Ortsverein Leipzig-Nord. In dessen Namen formuliert Ingo Reitmann: „Unser Grundgesetz bietet Raum für ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen. Zu den selbstverständlichen Grundrechten in unserem Land gehört die Religionsfreiheit. Das Recht, sich in gottesdienstlichen Räumen zu versammeln, gilt für jedermann, für Christen, Juden und selbstverständlich auch für Muslime.“
Das es offenbar nicht so selbstverständlich ist, wie es sich die SPD vorstellt, wird in eben jenen Ängsten deutlich, welche durch Verschweigen nicht kleiner und durch andere benutzbar werden: „Dennoch müssen die vorhandenen Ängste auf allen Seiten ausgesprochen werden. Keine Partner im Dialog sind jedoch NPD und freie Kameradschaften. Wir fordern alle Bürgerinnen und Bürger auf, rechtsradikalen Rattenfängern entgegenzutreten. In Gohlis ist kein Platz für Nazis!“
Apropos gefangene Ratten: Die gern genutzte Abgrenzungsfloskel vom tumben Nazi wird der Sache nicht gerecht. Denn auch diese Rattenfänger sind häufig selbst von geradezu manischen Ängsten gefangen und wissen deshalb, mit der Angst vor dem Unbekannten zu spielen. Und diese Ängste kommen häufiger vor, als die kläglichen endenden Aufmärsche gewaltbereiter Neonazis in Leipzig Glauben machen könnten.
Vielleicht bleibt deshalb der SPD Leipzig-Nord die Hoffnung auf Respekt und Vernunft, an welche sie appellieren. „Wir setzen uns für die gegenseitige Achtung Andersdenkender und Andersgläubiger ein. Angst vor der Moschee einer liberalen muslimischen Gemeinde mit maximal 100 Plätzen ist unvernünftig.
(Quelle: l-iz.de; Martin Schöler & Michael Freitag)