Wie die L-IZ exklusiv berichtete, hat die Leipziger Stadtverwaltung für 2013 einen „Mehrbedarf“ an 110 bis 120 Plätzen für Asylbewerber ausgemacht. Geplant sind drei weitere Asylbewerberunterkünfte in Lindenau, Gohlis-Süd und Eutritzsch. Für den Stadtbezirksbeirat Altwest stellt das Gebäude Georg-Schwarz-Straße 31 einen geeigneten Standort dar.
„Lindenau hat eine lange Tradition von Integration neuer Einwohner“, sagt Thomas Naumann, der örtliche Stadtbezirksbeirat der Linken, über das vormalige Angerdorf, aus dem während der Industrialisierung ein Arbeiterbezirk wurde. Nun ist in der Gegend um die Georg-Schwarz-Straße und den Lindenauer Markt viel von „Gründerzeit 2.0“ die Rede, ziehen kreative Großstadtpioniere hinzu.
Nach den Plänen der Leipziger Stadtverwaltung sollen künftig auch Asylsuchende in Lindenau Heimat finden. Ab Mai 2013 soll das Haus Georg-Schwarz-Straße 31 circa 35 bis 40 Menschen eine Unterkunft bieten. Zehn Wohneinheiten für Familien mit Kindern sollen hier entstehen.Daneben sind Asylbewerberunterkünfte in der Georg-Schumann-Straße 121 und in der Theresienstraße 14 vorgesehen. Sie sollen den „Mehrbedarf 2013“ von 110 bis 120 Unterkunftsplätzen decken, wie es im Amtsdeutsch heißt. Am 6. November 2012 beschloss die Dienstberatung des Oberbürgermeisters das entsprechende Konzept auf Rats-Drucksache V/ 2626. Bereits für den 12 . Dezember 2012 ist der Ratsbeschluss vorgesehen.In der Zwischenzeit soll die „Gremienbeteiligung – Stadtbezirksbeiräte Alt-West und Nord, Fachausschüsse, Migrantenbeirat“ erfolgen, teilte das Rathaus nach Erscheinen des L-IZ-Berichtes mit.Der Stadtbezirksbeirat Altwest diskutierte die Vorlage am Mittwoch dieser Woche, 7. November, in öffentlicher Sitzung. „Es zeigt sich wieder, dass hier über Parteigrenzen hinweg und im Zusammenspiel mit den Akteuren vor Ort, alle ein gutes Ergebnis und ein weltoffenes Miteinander wollen“, fasste SPD-Ratsfrau Eva Brackelmann das Ergebnis der Beratung zusammen.
Pfarrer Runne: Den Verfolgten ein Zuflucht geben
Zu den Akteuren vor Ort zählt das Evangelische Diakonissenkrankenhaus. „Die Platzierung in der Georg-Schwarz-Straße ist aus meiner Sicht vorteilhaft für die künftigen Bewohner“, schätzt dessen Geschäftsführer, Pfarrer im Ruhestand Hans-Christoph Runne, die Standortwahl ein. Die Asylsuchenden „sind damit mitten drin in der Gesellschaft, so problembeladen dieser Stadtteil insgesamt auch sein mag“, so Runne weiter. „Den Verfolgten eine Zuflucht geben, mutig für Menschenwürde eintreten, das ist uns miteinander aufgetragen“, begründet der Theologe und Krankenhausmanager seine Haltung.„Wir werden die Menschen, die zu uns kommen, mit offenen Armen empfangen“, kündigt Stadtbezirksbeirätin Eve Brackelmann an, „das steht Leipzig gut zu Gesicht, und dem Leipziger Westen ohnehin.“ Die Magistrale Georg-Schwarz-Straße biete dazu aus Sicht der Sozialdemokratin gute Möglichkeiten.Fragen der Sicherheit wegen des in der Nähe gelegenen NPD-Büros in der Odermannstraße müssen von städtischer Seite dabei mit bedacht werden, gibt Brackelmann zu bedenken. So sieht es auch ihr CDU-Kollege Martin Berger.
„Das Objekt Georg-Schwarz-Str. 31 scheint auf den ersten Blick nicht optimal, wohl aber im Großen und Ganzen geeignet zu sein“, bewertet der Jurist, der seit kurzem auch den Vorsitz im dortigen CDU-Ortsverband innehat, den Standortvorschlag der Stadtverwaltung. Das Objekt liege zentral im Stadtteil mit guter Anbindung zum öffentlichen Personennahverkehr, so Berger weiter. Begrüßenswert ist aus seiner Sicht auch, „dass die Integrationslast auf mehrere Stadtteile verteilt und einzelne Stadtteile nicht einseitig belastet werden“.
Nun sind die Integrationslasten ja auch so verteilt, dass die Asylbewerber sich in der neuen Umgebung zurechtfinden müssen. Da macht so ein Standort mitten im Leben mehr Sinn als Großstandorte am Stadtrand oder in einem Gewerbegebiet. „Ich begrüße die Unterbringung der Asylbewerber in dezentralen Einrichtungen generell“, so Thomas Naumann von den Linken.
Die Stadtbezirksbeiräte aus Altwest setzen auf die Einbeziehung der Öffentlichkeit in den weiteren Entscheidungsprozess. „Die Stadtverwaltung hat es in der Vergangenheit – und auch diesmal wieder – versäumt, alle relevanten Entscheidungsträger zu informieren“, kritisiert Christdemokrat Berger. Er lädt alle interessierten Bürger zur nächsten öffentlichen Sitzung des Stadtbezirksbeirates am 5. Dezember ein, um „sich über das Vorhaben zu informieren und Nachfragen zu stellen“.Ähnlich argumentiert auch Hans-Christoph Runne. „Würde zeigt sich und bewährt sich immer in einer Beziehung“, betont er, „sie ist verletzbar, aber unverlierbar“. Folglich müssten die Bewohner der Georg-Schwarz-Straße auf den Zuzug vorbereitet werden, mahnt Runne an, „damit eine Solidarisierung nicht dem Zufall überlassen bleibt“.
Kasek und Hobusch nennen „Mehrbedarf“ absehbar
Kritik an der Informationspolitik der Stadtspitze regt sich auch an anderer Stelle. Für Jürgen Kasek, Vorstandssprecher der Leipziger Grünen, war die Entwicklung hin zu einem „Mehrbedarf 2013“ absehbar. „Durch die vernünftige Reduktion der Plätze an den geplanten Standorten, war bereits bei der Beschlussfassung im Juli klar, dass die ausgewählten Standorte nicht ausreichen und die Suche daher weitergehen muss“, betont Kasek. Zu spät und zu intransparent habe sich die Stadtverwaltung aus seiner Sicht mit der Problemstellung befasst. „Dadurch ist ein Zeitdruck entstanden, der der Debatte gerade im Sommer nicht gut getan hat“, erinnert Leipzigs Grünen-Chef.
Eine offene und frühzeitige Kommunikation ist für Kasek eine Lehre aus dem Geschehenen. Sie könne helfen, Ängste abzubauen. „Hinzu kommt, dass die Suche nach geeigneten Standorten weitergehen muss“, fügt er an, „wir dürfen nicht immer erst dann reagieren, wenn der Freistaat Leipzig mehr Menschen zuweist, sondern es muss bereits einen Plan geben, wie und wo eine menschenwürdige Unterbringung stattfindet.“
„Es war absehbar, dass die bislang geplante Platzzahl aufgrund der Entwicklung der Flüchtlingszahlen nicht ausreichen wird“, teilt Rene Hobusch, FDP-Fraktionsvize im Stadtrat, diese Sicht der Dinge. „Ich hätte mir gewünscht, dass Oberbürgermeister Jung dies den Menschen in unserer Stadt vor drei Monaten gesagt hätte“, so Hobusch, der auch Oberbürgermeisterkandidat seiner Partei ist, weiter. „Schließlich ist es nicht Aufgabe eines Oberbürgermeisters, den Bürgern nur frohe Botschaften zu verkünden, sondern die Wahrheit zu sagen“, mahnt Hobusch an.
Die FDP begrüßt laut Hobusch grundsätzlich eine dezentrale Unterbringung. „Dass dies nun auch verstärkt an Standorten privater Grundstückseigentümer erfolgen soll, ist richtig“, unterstreicht der Liberale.
(Gernot Borriss, 12.11.2012, Quelle: l-iz)