Rackwitz. Es war vor allem ein Schlagwort, das die Diskussion am Donnerstagabend in Rackwitz prägte. Information. Viel zu wenig davon habe es in den vergangenen Tagen und Wochen gegeben, lautete die Kritik der versammelten Bürgerschaft. Und zu den Kritikern zählten auch Gemeinderatsmitglieder. Im LVZ-Gespräch beteuerte eine ganze Reihe von Kommunalpolitikern übereinstimmend, erst vergangene Woche oder später von den Asylheim-Plänen erfahren zu haben.
Teilweise informierten sie sich gegenseitig, teilweise wurden sie über die LVZ auf das Thema aufmerksam. Oder gar erst beim Bäcker im Zuge einer Unterschriftensammlung. Eine Gruppe von zehn Anwohnern hatte bis diese Woche nach eigenen Angaben rund 1200 Namen von Kritikern gesammelt, die die Etablierung einer Flüchtlings-Unterkunft im Ex-Lehrlingswohnheim in der Leipziger Straße nahe des Ortsausgangs Richtung Zschölkau für bedenklich halten. Am Donnerstagabend übergab einer der Initiatoren, Christoph Bienert, die Signaturen an Landrat Michael Czupalla (CDU). Darüber hinaus verteilte die Gruppe Flugblätter an die Haushalte, mobilisierte für eine Teilnahme an der Gemeinderatssitzung, die für diesen Abend angesetzt war. In dem Aufruf wurde insbesondere eine Stellungnahme von Bürgermeister Manfred Freigang (UWV) eingefordert. Ausländerfeindliche Darstellungen fanden sich in dem Flugblatt nicht. „Wir wünschen uns Informationen, wenigstens an die Gemeinderäte. Denn wir machen uns natürlich Gedanken, was so ein Heim mit 120 Flüchtlingen für die Gemeinde bedeutet“, erklärte Christoph Bienert. „Mit dem rechten Spektrum haben wir nichts zu tun.“
Immerhin genügte der Wirbel der vergangenen Tage, um das Thema in der öffentlichen Gemeinderatssitzung zu platzieren. Die kritischen Fragen an den Bürgermeister hinsichtlich der fehlenden Informationen folgte prompt. Antwort: „Ich habe vor etwa sieben Wochen vom Landratsamt erfahren, dass es eventuell eine Verlegung von Asylbewerbern nach Rackwitz geben könnte“, sagte Manfred Freigang. „Ich wurde gebeten, das für mich zu behalten. Wenn ich Loyalität zusichere, halte ich mich daran.“ Von der starken Präsenz der Einwohnerschaft zur Ratssitzung zeigte er sich überrascht. Der Sitzungssaal, in den wie gewohnt geladen worden war, erwies sich mit nicht mal 40 Sitzplätzen als viel zu klein – letztlich rund 300 Gäste bevölkerten vor allem den Rathausvorplatz, stimmten Sprechchöre an. Auf Anraten von Gemeinderat Dietmar Schenk (Rackwitzer Bürgerschaft) wurde das Publikum schließlich in die Turnhalle umgeleitet, wo Landrat Michael Czupalla, flankiert vom Bürgermeister und Polizeipräsident Bernd Merbitz, das Wort ergriff.
Die Stimmung schwankte zwischen besonnen und gereizt. „Wer kümmert sich um die Sicherheit?“ – „Welche konkreten Alternativen werden geprüft?“ – „Haben Sie an die Infrastruktur gedacht? Wir haben hier nur einen Arzt, eine Kita, eine Schule.“ Über Fragen wie diese entspann sich eine lebhafte Diskussion, die schließlich immer mehr zu Grüppchengesprächen wurde und sich erst nach etwa zwei Stunden auflöste. Mit dabei auch Wilfried und Brigitte Just, direkte Anwohner des seit 2006 leerstehenden Ex-Lehrlingswohnheimes. „Nicht die Aufnahme der Flüchtlinge an sich, sondern die Konzentration ist der Horror. Warum verteilt man die Asylbewerber nicht generell in Gruppen auf alle Gemeinden und verzichtet auf Sammelunterkünfte? Unser Haus nebenan wird jetzt wertlos“, meinte Brigitte Just. Und kündigte an: „Wir werden für eine andere Lösung kämpfen!“
Kay Würker
KOMMENTAR:
Information ist ein hohes Gut
Von Kay Würker
Sachsens Gemeindeordnung findet klare Worte: „Über Planungen und Vorhaben der Gemeinde, die für ihre Entwicklung bedeutsam sind oder die die sozialen, kulturellen, ökologischen oder wirtschaftlichen Belange ihrer Einwohner berühren, sind die Einwohner frühzeitig und umfassend zu informieren.“ Paragraf elf lässt keinen Zweifel: Information ist ein hohes Gut. Zwar handelt es sich bei den Plänen für ein Asylbewerberheim in Rackwitz um eine Aufgabe in Zuständigkeit des Landkreises – und selbst Kreisräte müssen nicht um Zustimmung gefragt werden, weil die Flüchtlings-Unterbringung eine Sache der laufenden Verwaltung ist. Doch auch auf Kreisebene gilt die Gemeindeordnung, und die öffentliche Relevanz dieses Themas ist unbestritten. Dass Informationen darüber nur zur Sprache kommen, weil irgendwie etwas durchgesickert ist und Anwohner mit Flugblättern Druck machten, ist ein Unding. Wenigstens die Gemeinderatsmitglieder, als gewählte Volksvertreter, hätten rechtzeitig in Kenntnis gesetzt werden müssen. Natürlich wäre es naiv zu erwarten, dass in diesem Fall ein Mehr an Information ein deutliches Mehr an Akzeptanz erzeugen würde. Zu gravierend ist die Diskrepanz zwischen öffentlicher Aufgabe und privater Betroffenheit. Allerdings würde mehr Offenheit dem Thema jenen Rahmen verleihen, den es verdient. Mit Hilfsangeboten im Dienste der Menschlichkeit muss man nicht verschämt herumdrucksen, als ginge es um etwas Unanständiges.
@k.wuerker@lvz.de