IKMW verurteilt rassistisches Vorgehen der Polizei – Entschuldigung und Veränderungen im Polizeiapparat gefordert

Pressemitteilung
09. Oktober 2017

Initiativkreis Menschen.Würdig. verurteilt rassistisches Vorgehen der Polizei gegen Referenten einer in Leipzig stattfindenden Konferenz – Entschuldigung und grundsätzliche Veränderungen im Polizeiapparat gefordert

Die Konferenz „Selbstbestimmt und solidarisch! Konferenz zu Migration, Entwicklung und ökologische Krise“, die am Wochenende mit 700 Teilnehmenden in Leipzig stattfand, wurde durch eine rassistische Polizeiaktion überschattet. Zwei aus Kamerum stammende Referenten wurden in ihrer Gastwohung von der Polizei aus dem Schlaf geholt und körperlich angegangen. Von Nachbarn aus bisher unbekannten Gründen alarmiert, ließ die Polizei ihre Vorverurteilungen erst fallen, als weiße OrganisatorInnen der Konferenz hinzukamen. Einer der Betroffenen, der Referent Péguy Takou Ndie, berichtet: „Ich wollte einen Freund anrufen, damit er mit der Polizei spricht, warum wir hier untergebracht sind und dass alles seine Richtigkeit hat, aber ich wurde gar nicht erst angehört. Mir wurde einfach der Arm so sehr nach hinten gebogen, dass ich heute noch Schmerzen in der Schulter habe.“ Dazu ergänzt Richard Djif: „Mich hat schockiert, dass die Polizisten sofort Gewalt angewendet haben, obwohl wir nur Schlafanzüge trugen und ganz offensichtlich nicht gefährlich waren. Ich fühle mich sehr unsicher in Deutschland, wenn rassistische Vorurteile bei der Polizei zu solchen Übergriffen führen. Eigentlich soll die Polizei doch für Sicherheit sorgen. Das erinnert uns daran, wie sehr man gegen Rassismus in der Gesellschaft Widerstand leisten muss.“

Der Initiativkreis: Menschen.Würdig kritisiert das Vorgehen der Polizei scharf:

„Die sächsische Polizei macht ihrem Ruf mal wieder zweifelhafte ‚Ehre‘. Der Anblick von zwei nicht-weißen Menschen ließ die BeamtInnen sofort überreagieren. Nicht anders als mit rassistischen Stereotypen ist das Verhalten der Beamten zu erklären. Anstatt im Gespräch zu klären, dass die Befürchtungen der Nachbarn aus der Luft gegriffen sind, wurden die beiden schwarzen Referenten der Konferenz von den Beamten körperlich malträtiert. Erst als weiße Personen hinzu kamen, ließ die Polizei von den beiden ab.“

Das Verhalten der Polizeibeamten gegenüber zwei Migranten reiht sich in mehrere Vorfälle der letzten Zeit ein. Erst kürzlich war die Pressestelle der Leipziger Polizei mit dem Verbreiten rassistischer Stereotype aufgefallen: In einer Pressemitteilung über Straftaten eines 19-jährigen Libyers prankte die Überschrift, ob es sich bei den „Diebstahlshandlungen und Raubstraftaten“ um „angemessene Begrüßungshandlungen gegenüber der Bevölkerung“ handele. Aufgrund der berechtigten öffentlichen Empörung verfasste die Polizeipressestelle daraufhin einen Kommentar, in dem sie sich dafür entschuldigte, „berufsbedingt fast ausschließlich mit den negativen Folgen des Flüchtlingszustroms konfrontiert“ zu sein. Diese „Entschuldigung“ lässt tief blicken und ist als nichts anderes als ein Eingeständnis eines in der Polizei weit verbreiteten Rassismus zu lesen. Das belegen weitere Pressestatements der Leipziger Polizei: Ebenfalls im September beklagte dieselbe Pressestelle den „Polizeirassismus“ in Connewitz, womit die negative Haltung gegenüber der Polizei zum Ausdruck gebracht werden sollte, damit aber die systematische Diskriminierung von Menschen anderer Herkunft verharmlost wird. Im Juli diesen Jahres ließ sich Polizeipressesprecher Andreas Loepki über das „rückständige Frauenbild“ von Muslimen aus.

Kim Schönberg vom Initiativkreis dazu: „Rassistische Diskriminierung ist keine Bagatelle, sondern verstößt gegen Menschen- und Grundrechte. Gerade staatliche Institutionen sind hier in der Pflicht, sensibel zu agieren. In der Realität sind es allerdings genau jene Behörden, die systematisch rassistisch agieren, zum Beispiel durch rassistische Polizeikontrollen, durch entwürdigende Behandlung auf der Ausländerbehörde oder auf dem Jobcenter.

Zur sächsischen Realität gehört auch, dass Teile der Polizei mit Pegida sympathisieren (siehe Aussagen von Wirtschaftsminister Martin Dulig http://www.tagesspiegel.de/politik/fremdenfeindlichkeit-in-sachsen-spd-polizisten-sympathisieren-mit-pegida/13042604.html), dass ‚racial profiling‘ zum Alltag gehört und dass insbesondere die Presseabteilung der Leipziger Polizei wiederholt rassistische Stereotype angeheizt hat.

Kim Schönberg weiter: „Wir erwarten von der Leipziger Polizei eine Entschuldigung bei den betroffenen Teilnehmern der Konferenz und eine Entschädigung der entstandenen physischen sowie psychischen Schäden. Mehr noch verlangen wir, dass sich im Polizeiapparat endlich mit der Realität der Migrationsgesellschaft auseinandergesetzt wird und dass interkulturelle Kompetenzen sowie Antirassismustraining zum Inhalt verpflichtender Fortbildungen werden! Nicht zuletzt ist es Zeit, eine unabhängige Beschwerdestelle einzurichten, die es Menschen ermöglicht, jenseits des juristischen Wegs Kritik am Handeln der Polizei zu üben, die dann auch zu Konsequenzen führt.“