Aufruf des Bündnis Lager-Watch zum Tag des Grundgesetzes am 23. Mai 2021
[Lest hier den Aufruf. Hier könnt Ihr ihn herunterladen und selbst verbreiten.]
Stellt euch vor, #LeaveNoOneBehind wird wahr. Alle Menschen an den EU-Außengrenzen werden evakuiert – nach Gewalt, Angst, Krankheit, Bränden, nach Jahren.
Viele kommen nach Deutschland. Und was finden sie hier vor?
Sie kommen erneut in Lager. Dort werden ihre Taschen durchsucht, ihre Zimmer kontrolliert, Securities werden gewalttätig, Polizist*innen kommen und schie- ben Menschen ab. Erneut: Gewalt und Angst. Alte Traumata kommen nicht zur Ruhe, neue Krankheiten entstehen – Orte, schwankend zwischen Tristesse und Gewaltexzess. Der Bedarf an umfassender Gesundheitsversorgung, sowohl psychisch als auch physisch, ist bereits bei der Ankunft hoch und kann schon an diesem Punkt nicht gedeckt werden. Je länger die Aufenthaltszeiten in den Lagern – desto größer wird er.
Der in der Pandemie erforderliche Infektionsschutz ist derweil unmöglich einzu- halten. Beratung zum Asylverfahren, zu Gewaltschutz, zu besonderen Schutz- bedarfen ist eingeschränkt oder gar nicht zu erreichen. Das alles ist von der Bundesregierung und den Landesregierungen so gewollt. Auch hier können es inzwischen Jahre sein, in denen sich Schutzsuchende erneut in einem Lager wiederfinden müssen.
Deswegen fordern wir: Lager abschaffen!
Alle Menschen haben ein Recht auf Wohnung, gleich welchen Aufenthaltsstatus sie haben.
Doch wo anfangen?
Angriffsflächen bieten sich viele. Aktive in Baden-Württemberg haben vorgelegt, die Kampagne „Grundrechte am Eingang abgeben“ gestartet und ein Rechtsgutachten initi- iert. Jetzt haben vier Geflüchtete aus Baden Württemberg mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte gegen die Hausordnung geklagt.
Wir – ein bundesweites Netzwerk von Initiativen, Vereinen, Flüchtlingsräten – schlagen vor, die Hausordnun- gen in den Lagern bundesweit zu problematisieren und zu bekämpfen. Nur in Gefängnissen und Psychiatrien besteht die Möglichkeit, wie in einem Lager so intensiv in Grundrechte einzugreifen und Ausgrenzungs- statt Teilhabepolitik durchzusetzen. Und das geschieht ganz maßgeblich auch durch die dortigen Hausordnungen.
Und wie anfangen?
- Erkundigt euch, wo bei euch das nächste Lager steht. Das kann eine Aufnahmeeinrichtung des Landes sein, möglicherweise aber auch eine große Gemeinschaftsunterkunft in der Verantwortung eurer Stadt oder eures Landkreises.
- Tretet mit den Bewohner*innen in Kontakt! Sprecht mit ihnen, gebt ihnen eine Stimme, veröffentlicht Videos, Interviews, unterstützt Bewohner*innen dabei, sich zu organisieren und Forderungen aufzustellen!
- Dokumentiert Grundrechtseingriffe wie das Durchsuchen von Zimmern, gewalttätige Securities, Sanktionen wie ein Hausverbot und Weiteres. Sprecht mit den Betroffenen darüber, ob sie einer Veröffentlichung zustimmen.
- Organisiert euch die Hausordnung des jeweiligen Lagers! Das ist in einigen Bundesländern beispielsweise über Kontakte in die Lager gelungen – Hausordnungen müssen ausgehängt werden. Oder gewinnt Abgeordnete oder Stadt-/ Kreisrät*innen und legt ihnen Kleine Anfragen nahe, in denen ihr die Veröffentlichung der Hausordnung verlangt. Möglicherweise hat auch der Flüchtlingsrat eures Bundeslands bereits Hausordnungen recherchieren können.
- Initiiert selber Rechtsgutachten zur jeweiligen Hausordnung!
- Bringt die Kritik in die Presse! Vermittelt Geflüchtete an Journalist*innen, damit sie direkt berichten können, was hinterm Lagerzaun vor sich geht.
- Macht mit Aktionen, Kundgebungen, Flashmobs, Social-Media-Kampagnen auf die Zustände im Lager aufmerksam.
- UND NICHT ZULETZT: Schließt euch unserer bundesweiten Vernetzung an, um einen Überblick zu be- kommen, was anderswo gilt, welche Strategien in anderen Kommunen oder Bundesländern gefahren wer- den. Das nächste Online-Treffen findet am 29. Mai 2021 um 10 Uhr statt. Meldet euch bei info[ät]aktionbleiberecht[dot]de um teilzunehmen.
Wenn die, die Schutz suchen, ihn auch erhalten sollen, dann muss sich die Anerkennungs-und Unterbringungspolitik ändern. Dann muss Unterbringungspolitik für Geflüchtete zu Wohnungspolitik werden!