Leipzig Fernsehen vom 01.11.2012: „Nach Absage von Gegenkundgebung: SPD-Vorstand kritisiert Bürgerinitative in Wahren“

Wenn am Donnerstag die NPD in Leipzig-Wahren aufmarschiert, dann ohne Gegenprotest. Der Erich-Zeigner-Verein hatte seine Demo abgesagt. Der Grund waren Äußerungen der BI Wahren. Die Leipziger SPD reagiert darauf nun mit einem offenen Brief. +++

Die Bürgerinitiative Wahren stellt sich seit Monaten gegen das geplante Asylbewerberheim in der Pittlerstraße, vor dem nun am Donnerstag die NPD im Rahmen ihrer „Sachsentour“ aufmarschieren wird. Eigentlich sollte zur gleichen Zeit ein Gegenprotest des „Erich-Zeigner-Vereins“ stattfinden. Aufgrund von Äußerungen der Bürgerinitiative wurde die Veranstaltung allerdings abgesagt. Die BI Wahren hatte den Verein als „linksradikal“ bezeichnet und sich auch in Leserbriefen in der LVZ mehr als fragwürdig zu dem Thema Asylbewerberheim geäußert.

Die Leipziger SPD reagierte nun in einem offenen Brief auf die Situation. SPD-Kreisvorstand Michael Clobes findet darin harte Worte für die Bürgerinitiative:

„Sehr geehrter Herr Hoffman,
sehr geehrte Mitglieder der Bürgerinitiative Wahren,

die Ereignisse der letzten Tage veranlassen mich als Vertreter der Leipziger SPD, Ihnen die folgenden Zeilen zu schreiben. Bekanntlich hat der Erich Zeigner Verein e.V. seine Kundgebung gegen den NPD Aufmarsch in der Pittlerstraße abgesagt, nachdem Sie deren Initiative als linksradikal diffamiert haben. Dies haben Sie und die Mitglieder der BI Wahren zu verantworten Das von Ihnen befürchtete Aufeinandertreffen „radikaler Gruppen“ findet nun nicht statt.

Ich möchte Ihnen dazu aber nicht gratulieren sondern muss Ihnen mitteilen, dass ich Ihre Haltung sowohl hinsichtlich der Unterbringung der Asylbewerber selbst wie auch gegenüber den geplanten Aktionen der Initiative „Leipzig nimmt Platz“ für skandalös halte. Mitglieder der BI haben sich im Rahmen der Diskussion um das geplante Asylbewerberheim in einer nicht akzeptablen Form geäußert. Das betrifft sowohl das Verhalten in den Informationsveranstaltungen wie auch die Briefe, die aus Ihren Reihen an die Repräsentanten der Stadt versandt wurden. Dabei ist die Berufung auf das „tausendjährige Wahren“ noch eher eine harmlose Entgleisung.

Wer in dieser Form auftritt und sich einer solchen Sprache bedient, muss sich nicht wundern, wenn er damit bei der NPD Sympathien gewinnt und bei solchen falschen Freunden Unterstützung findet. Nun wird die NPD in der Pittlerstraße eine Kundgebung durchführen und wie Sie lautstark den Verzicht auf die Unterbringung dort fordern. Es ist geradezu hanebüchen, wenn Sie die Verantwortung der Stadtverwaltung, namentlich Herrn Prof. Fabian und dem Oberbürgermeister Burkhard Jung zuschreiben. Was soll die Stadtverwaltung Ihrer Meinung nach tun? Soll sie auf die Unterbringung der Asylsuchenden verzichten, damit die Nazis dagegen nicht protestieren? Umgekehrt wird ein Schuh draus: Die NPD kommt nach Wahren, weil sie aufgrund Ihres Auftretens meint, auf offene Ohren zu treffen. Es wird die Aufgabe der Bürgerinnen und Bürger von Wahren sein, sich trotz des Gleichklangs von Auftreten und Sprachwahl von der verfassungsfeindlichen Partei abzugrenzen.

Damit Sie mich nicht missverstehen: Ich kritisiere nicht, dass sich Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt an der Diskussion um die Unterbringung der Asylsuchenden beteiligen und ihren Sorgen Ausdruck verleihen. Aber ich richte mich gegen die Polarisierung, Scharfmacherei und haltlose Schuldzuweisungen, die mit Ihren Meinungskundgebungen verbunden sind. In diese Kritik beziehe ich insbesondere auch die Leserbriefe in der LVZ vom Montag ein, die sich mit Ihrem Brief an OBM Jung zu einem geschlossenen Meinungsbild verdichten.

Dagegen ist Ihnen eine Abgrenzung von den von Ihnen als linksradikal bezeichneten und im gleichen Atemzug mit der NPD genannten Veranstaltern der Gegendemonstration weitgehend gelungen. Es ist aber zutiefst beleidigend, wenn Sie den Erich-Zeigner-Verein und dessen Vorsitzenden Frank Kimmerle als linksradikal bezeichnen. Der Verein hat sich seit vielen Jahren um die politische Kultur in dieser Stadt sehr verdient gemacht. Er führt viele Veranstaltungen durch und sucht ständig den Kontakt mit allen demokratischen Parteien. Ich erinnere nur daran, dass Herr Dr. Feist (MdB CDU) seit Jahren gern gesehener Gast bei der Veranstaltung zum Gedenken an das Kriegsende am 8 Mai ist. Insbesondere engagiert sich der Verein im Kampf gegen Rechtsradikalismus und tritt der NPD entgegen, wo immer sie die Öffentlichkeit sucht. Die Initiative „Leipzig nimmt Platz“ tritt seit Jahren mit Erfolg neonazistischen Umtriebe in dieser Stadt entgegen. Zu ihr gehören unterschiedliche Vereine, Parteien und Gewerkschaften. Auch die SPD ist im Gegensatz zur CDU bei dieser Initiative aktiv. Wer diese Initiative auf Juliane Nagel und die Linkspartei reduziert, wird dem in keiner Weise gerecht.

Dieses demokratische Engagement verdient Respekt. Es ist daher völlig inakzeptabel, wenn Sie sich in der vorliegenden Form in vermeintlicher Äquidistanz zu rechts und links in Stellung zu bringen versuchen und engagierte Demokraten mit den Nazis in einen Topf werfen.
Wenn die NPD am heutigen Nachmittag in Wahren aufmarschiert, wird sie wohl nicht auf die ursprünglich geplante Gegendemonstration treffen. Ich wünsche Ihnen, dass es Ihnen dennoch gelingt, sich in aller Deutlichkeit von deren Forderungen zu distanzieren.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Clobes“

Liebe Leser,

vielen Dank für die Kommentare zur Meldung.
Ich habe mich entschlossen, die Kommentare auszuschalten, da es anonyme unsachliche Kommentare gab.
Wer möchte kann mich gerne persönlich anrufen: 0176 / 10 000 510.

Viele Grüße

René Falkner
Geschäftsführer LEIPZIG FERNSEHEN

(Donnerstag, 1. November 2012 13:05, Quelle: Leipzig Fernsehen)