Seit Anfang August 2016 gilt in Deutschland die so genannte Wohnsitzauflage für Geflüchtete. Nach dieser Regelung, die im Integrationsgesetz des Bundes verankert ist, sollen anerkannte Geflüchtete drei Jahre in dem Bundesland leben müssen, in dem ihr Asylantrag anerkannt wurde.
Die Regelung sollte ursprünglich rückwirkend für die Menschen gelten, die seit Anfang des Jahres 2016 eine positive Entscheidung über ihren Asylantrag bekommen haben.
Laut Aussagen des Leipziger Sozialbürgermeisters Thomas Fabian lebten im September 2016 zirka 400 anerkannte Geflüchtete in Leipzig, die jüngst aus anderen Bundesländern zugezogen sind. Für diese könnte die Wohnsitzregelung greifen, so dass diese befürchten müssen an den Ort ihrer Erstzuweisung außerhalb Sachsens zurückgeschickt zu werden.
Nach eigenem Bekunden will der Freistaat Sachsen zudem im November entscheiden, ob die Wohnsitzauflage auch innerhalb Sachsens zum Zuge kommen soll. Dies ermöglicht der neu geschaffene § 12a Absatz 9 Aufenthaltsgesetz.
Kim Schönberg vom Initiativkreis: Menschen.Würdig. dazu:
“Wir lehnen die Wohnsitzauflage für anerkannte Geflüchtete ab. Sie ist ein ordnungspolitisches Zwangsinstrument und wird die Integration und die Teilhabe der Betroffenen sicher eher behindern als befördern, wie es der Gesetzgeber behauptet. Genau wie in Deutschland geborene Menschen ziehen Geflüchtete dorthin, wo sie soziale Kontakte, integrative Angebote und Zukunftsperspektiven finden und sich insgesamt wohl fühlen. Sie für drei Jahre zu zwingen an einem Ort zu bleiben, den sie eigentlich verlassen wollen, ist kontraproduktiv und hemmt genau das, was das Gesetz befördern möchte: die Integration und Teilhabe. Zudem verstößt die Regelung, die unserer Ansicht nur ökonomisch als integrationspolitisch begründet ist, gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, in der es heißt, dass „die Aufnahmeländer anerkannten Flüchtlingen das Recht gewähren müssen, ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen.“
Laut Medienberichten haben sich Bund und Länder Anfang November geeinigt, dass die Rückwirkung der Wohnsitzauflage zum 1.1.2016 außer Kraft gesetzt wird. Die Geflüchteten, deren Asylantrag zwischen dem 1.1. und 6.8.2016 anerkannt wurde, müssen nun nicht mehr zurück in das Bundesland, wo ihr Asylverfahren geführt wurde.
Kim Schönberg kommentiert:
„Die Aussetzung der Rückwirkung der Wohnsitzauflage begrüßen wir. Doch das kann nur der erste Schritt sein. Auch Sachsen sollte dem Beispiel von Rheinland-Pfalz folgen, das sich gegen eine landesinterne Wohnsitzauflage ausgesprochen hat. Selbst im flächenmäßig kleinen Saarland hat die Regelung bereits laut Medienberichten zu großem Chaos und vielen Protesten geführt. Anderes ist für Sachsen auch nicht zu erwarten.
Geflüchtete zu Ausfallbürgen einer verfehlten Stadt- und Landesentwicklung zu machen, ist absurd. Der Wohnungsmangel in den sächsischen Großstädten ist genau wie die fehlende Infrastruktur im ländlichen Raum Produkt einer unpassenden, unnachhaltigen und unüberlegten Politik. Nicht zuletzt verlassen Geflüchtete sächsische Regionen auch, weil sie Rassismus und Anfeindungen nicht mehr aushalten. Statt repressiver Maßnahmen wie die Wohnsitzauflage braucht es endlich eine vorausschauende, soziale und antirassistische Politik.“