Im folgenden ist eine Antwort des Rackwitz-Bündnis auf die “kritisch-solidarische[n] Gedanken zur linken Intervention in Rackwitz” seitens einiger antirassistisch Aktiver aus Leipzig dokumentiert.
Liebe antirassistisch Aktive aus Leipzig.
nicht im Namen des Demovorbereitungskreises, will ich euch als Einzelperson auf eure Einlassung antworten.
Ich tue dies öffentlich, weil auch ihr diesen Weg gewählt habe. Konstruktiver hätte ich es gefunden, wenn wir ins Gespräch gekommen wären. Das war nicht euer Weg.
Zuerst möchte ich gern fragen: habt ihr in irgend einer Weise Erfahrungen mit dem Agieren in der sächsischen Provinz? Kennt ihr die Erfahrungen alternativer Jugendlicher, die systematisch diffamiert und aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden, stigmatisiert als ExtremistInnen? Kennt ihr die Erfahrungen des antirassistischen Fußballvereins Roter Stern Leipzig bei fast ausnahmslos allen Spielen in der sächsischen Provinz? Kennt ihr die Angriffe, Anschläge… auf Läden und Wohnhäuser von MigrantInnen?
Ich hoffe, ihr hattet diese Realität vor Augen, als ihr eure Zeilen niedergeschrieben habt.
Ich kann freimütig sagen bzw. schreiben, dass ich seit mehreren Tagen auch immer wieder zu reflektieren versuche was in Bezug auf Rackwitz das richtige wäre. Die Zweifel, ob die Antifa-Intervention die Richtige ist, kamen mir auch. Ich will mehr erfahren über ‘“die“ RackwitzerInnen, die hoffentlich nicht so homogen sind, wie es die Kommentare auf meinem Blog, die Äußerungen der BI, der Videomitschnitt von der Gemeinderatssitzung oder aber die LVZ-Berichterstattung vermuten lassen.
Und ja, es gibt Nuancen. Was aber mit diesen tun?
Ich will euch kurz aufführen, welche Erfahrungen ich bei Kontaktaufnahmen nach Rackwitz gemacht habe.
1. Engagierte Bürgerin. Diese rief mich Ende vergangener Woche mehrfach an, ich würde meinen, dass sie eine Art Telefonterror betrieb, in dem sie es in wenigen Stunden ca. 25 Mal hintereinander versuchte (ich konnte nicht ans Telefon, da beschäftigt). Vorher hatte sie mit Menschen
an dem Ort, an dem ich arbeite, gesprochen, und schon dort ihren Hang zu autoritärem Denken transportiert, indem sie ihre Gesprächspartner systematisch als „MitarbeiterInnen“ (von mir) und (von mir) zur BürgerInnenversammlung am 29.8. „Entsandte“ bezeichnete. Das zustande gekommene Telefonat mit ihr musste ich schließlich beenden, das sie recht aggressiv Suggestivfragen stellte Schlussendlich transportierte sie genau das, was wir aus Wahren kennen: Flüchtlinge „passen“ nicht nach Rackwitz, dezentrale Unterbringung sei besser (was im Kontext ihres Gesamtmeinungsbildes ein vorgeschobenes Argument ist).
2. BürgerInneninitiative Rackwitz 2.0. Auf eine Aufforderung via Internet hin („Gerne lade ich sie, zu einem Aufklärungsgespräch nach Rackwitz ein!!!) schrieb ich am 9.9. eine Mail an die Kontaktadresse. Diese blieb bis heute unbeantwortet.
3. Ein Gemeinderat aus Rackwitz. Auf Anraten eines zivilgesellschaftlichen Trägers hin gab es zwischen ihm und mir eine telefonische Kontaktaufnahme. Er hatte nach der BürgerInnenversammlung am 29.8. mit einem Gemeinderatskollegen den Vorschlag gemacht eine kleinere Zahl Asylsuchender in Rackwitz aufzunehmen und diese in Wohnungen unterzubringen, ein durchaus sinnvoller und pragmatischer Vorschlag. Pragmatisch verlief auch das Gespräch mit ihm. Er kritisierte die Stimmungsmache im Ort, legte allerdings recht ausführlich seine eigenen negativen Erfahrungen mit „den Ausländern“ dar. Außerdem hielt er nicht hinterm Berg damit, dass er zur „Deutschen Leitkultur“ stehe und „Angst vor Islamisierung“ hätte. Seinen eigenen Vorschlag Geflüchtete in Wohnungen unterzubringen relativierte er im Gespräch selbst: die RackwitzerInnen würden es nicht aushalten, wenn „5 Nordafrikaner in der Nachbarwohnung leben würden“. „Lärm, andere kulturelle Gepflogenheiten“ – das gesamte Arsenal an xenophoben Phantasien kam mir entgegen. Außerdem sei Rackwitz eben „konservativ“, die Leute wollen „ihre Ruhe“.
4. Ein linker oder mindestens antirassistisch sensibilisierter Rackwitzer. Mit diesem habe ich seit einigen Tagen schriftlichen Kontakt. Seine Erfahrungen sind durchaus interessant, auch für eure empfehlenden Gedanken: er hat sich der Unterzeichnung der Unterschriftenliste gegen das Heim verweigert und wurde deswegen angefeindet. Er wird aus Kommunikationen ausgeschlossen und will sich auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, er müsse ja noch dort leben.
Nun würde ich gern wissen ob ihr Erfahrungen gemacht habt oder wo ihr alternative Interventionsmöglichkeiten seht.
Ich finde es durchaus nachdenkenswert in Rackwitz zu versuchen eine Art Aufklärungsveranstaltung zu machen, Flyer zu verteilen, einen Infostand zu machen etcpp. Unwohlsein verschafft mir die Tatsache, dass möglicherweise 1.200 Menschen gegen das „Asylanten“-Heim unterschrieben haben (in der Kerngemeinde Rackwitz wohnen around 2.500 Menschen).
Ich finde es beschämend, dass sich niemand – auch nicht die LINKEN Gemeinderätinnen – zu Wort gemeldet und die xenophobe Stimmung angesprochen und kritisiert haben. Ich finde es wieder erschreckend, dass sich einen lokale BürgerInnenschaft einmal mehr nur dann aufrafft und nach Demokratie schreit, wenn es darum bzw. dagegen geht, dass Asylsuchende in ihrer Nachbarschaft leben sollen, eine BürgerInnenschaft, die zum überwiegenden Teil noch nie etwas mit MigrantInnen zu tun hatte.
Ich empfehle euch dringend, die LVZ der letzten Tage zu lesen. Hier eine Zusammenstellung der Highlights:
„Rackwitz hat kein rechtes oder linkes Problem. Rackwitz hat vielmehr ein Problem mit Rechten und Linken, die das Thema Asylbewerber für sich missbrauchen. Rackwitz braucht keine linken oder rechten Extremisten, die nun wissen wollen, was gut für den Ort ist und was nicht und die am Sonnabend vermutlich aufeinander losgehen.“ (LVZ 11.9.13)
„1200 Unterschriften sind ein deutliches Zeichen. Die Unterzeichner sind Rackwitzer und keine Nazis! Und deren Wille sollte Gewicht haben, sonst dominieren der braune und rote Abschaum und der Mob auch zukünftig die Nachrichten im Ort bei diesem brisanten Thema.“ (LVZ 11.9.13)
„“Dazu (zur Lösungsfindung & Debatte) benötigen wir keine Demonstrationen von rechten oder linksradikalen Parteien und Gruppierungen, die dem Ansehen unserer Gemeinde nur schaden und die ihr eigenes Süppchen auf unsere Kosten kochen.” (LVZ 13.9.13)
„sich auch die Bürgerinitiative “Rackwitz 2.0″ eindeutig von rechten sowie linken Aktivitäten rund um das Thema Asylbewerberheim Rackwitz distanziert.“ (LVZ 13.9.13).
Noch schlimmer wurde es am 13.9. im Tagesverlauf, in dem sich die BI de facto offen mit der NPD solidarisierte. „Zum Wohle von Rackwitz“ natürlich.
Zu guter Letzt nochmal ein Zitat aus einem Kommentar des Vorbereitungsbündnisses:
„Auch wir begrüßen, dass Asylsuchende nicht zu 120-st in ein marodes Gebäude inmitten einer feindlichen Umgebung untergebracht werden. […]
Die Demonstration am kommenden Samstag, 14.09., bleibt. Sie soll zeigen, mit was zu rechnen ist, wenn sich eine lokale Gesellschaft gegen asylsuchende Menschen formiert. Die Demonstration gilt als Hinweis, dass […] wir klar widersprechen werden, wenn xenophobe Stereotype den Diskurs bestimmen. Dass wir verhindern werden, dass sich rassistisches Denken tätlich gegen Menschen entlädt.“
Ich freue mich auf weiteren Austausch, Anregungen für und Diskussion über der Demo folgende Interventionen.