Die Politik der Grenzen, der Einreisekontrollen und Aufenthaltsregelungen muss abgeschafft werden. Wir kritisieren dieses System, das auch und insbesondere Menschen auf der Flucht diskriminiert. Im Grunde fordern wir nichts anderes als Rechte für alle. Konkret schlagen wir Folgendes vor:
1. Das Recht auf Einreise gilt für jeden Menschen. Widerstand dagegen darf nicht länger als Ängste, Sorgen oder Kritik verharmlost werden, sondern ist und bleibt purer Rassismus.
In den letzten Monaten ist in Deutschland neben einer Zunahme an rassistischen Übergriffen auf Migrant*Innen und ihre Unterkünfte, einer Verschärfung des Asylrechts und einem offen zur Schau getragenen gesellschaftlichen Rassismus, auch eine große bürgerliche Solidaritätsbewegung für Geflüchtete entstanden. Im Zuge dieser ist es dazu gekommen, dass auf einmal unkonventionelle Lösungen für Probleme bei der Unterkunft möglich werden, Menschen zahllose Sachspenden abgeben, Wohnraum zur Verfügung stellen und sich in ihrer freie Zeit sowie im Beruf aktiv für die Bedürfnisse von Geflüchteten einsetzen. Doch trotz dieser offensichtlichen positiven Veränderung, etwa zur Situation Anfang der Neunziger, mehren sich auch innerhalb des bürgerlichen Unterstützer*Innenspektrums die Fragen nach „einem Ende der Flüchtlingswelle“ und die Forderungen nach einer Limitierung durch die Grenzbehörden. Schließlich können „wir“ ja nicht „alle“ aufnehmen. Oder anders gesagt, sind „wir“ ja auch „nicht das Sozialamt der Welt“.
Dass Deutschland nur einen kleinen Teil aller Geflüchteten weltweit aufnimmt, gerät dabei völlig aus dem Blickfeld. Wir wollen uns deswegen diesen Stimmen entschieden entgegenstellen und verhindern, dass Menschen nach einem Ende der Flucht fragen, über die Überforderung der eigenen Ressourcen lamentieren und letztendlich offener Rassismus als „Kritik“, „Ängste“ oder „Vorurteile“ bezeichnet wird. Der Diskurs soll wieder hin zu einer echten grenzenlosen Solidarität verschoben werden. Insbesondere, weil es einem Großteil der Menschen in Deutschland finanziell gut geht, muss es selbstverständlich sein, dass alle Menschen, die Hilfe benötigen, hier ohne Vorbehalte willkommen sind.
Außerdem wollen wir klar stellen, dass für uns Flucht (aus welchen Gründen auch immer) genauso wie jede andere Form von Migration, keine Belastung für eine Gesellschaft darstellt und erst Recht keine Gefahr ist: Weder für die Menschen, noch für eine angeblich existierende Form einer homogenen weißen, deutschen, christlichen Abendlandkultur.
Visafreiheit
Wir fordern deswegen, dass alle Menschen egal aus welchem Herkunftsland, welchen Alters, Geschlechts, Hautfarbe oder welcher Religion, unabhängig von ihrem Besitz, Einkommen oder sozialen Status, die Möglichkeit haben müssen, so wie bereits jetzt zahlreiche Menschen aus den Ländern des Globalen Nordens, ungehindert nach Europa mit einem Touristenvisum für 3 Monate einreisen zu können. Somit wollen wir sicherstellen, dass Flüchtende die Möglichkeit besitzen ihren Weg nach Europa nicht über lebensgefährliche Routen durchführen zu müssen, bei denen sie ihr Leben riskieren und nicht selten auch verlieren. Außerdem soll so sichergestellt werden, dass Geflüchtete so ihr Recht auf Asyl hier vor Ort in Deutschland, sowie in jedem anderen europäischen Land, problemlos nach ihrer Ankunft in Anspruch nehmen und gegebenenfalls einklagen können.
Arbeitsmöglichkeit
Zusätzlich zu den Menschen, die vor Krieg, Folter, politischer Verfolgung o.Ä. flüchten, und somit unter dem Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention stehen und ein Recht auf Asyl in Deutschland und der EU haben, kommen auch zahlreiche Menschen nach Europa, die aus anderen (nicht minder schwerwiegenden) Gründen ihre Heimat und ihre Familien verlassen und sich auf einen meist lebensgefährlichen Weg begeben. Diese Menschen, die hierzulande oft abfällig als „Wirtschaftsflüchtlinge“ bezeichnet werden, und deren unverzügliche Abschiebung im Zuge der angeblichen Überforderung Deutschlands mit der aktuellen Situation immer häufiger gefordert wird, haben das gleiche Recht in Deutschland zu leben und zu arbeiten, wie jede andere Person auch. Denn sie fliehen aus nicht minder prekären Verhältnissen in ihrer Heimat und besitzen oft keine Alternative zur Verbesserung ihrer Verhältnisse und der ihrer Familien, als die Flucht und ein Hoffen auf Asyl.
Momentan besitzen sie meistens keine Möglichkeit auch nur für einen Zeitraum weniger Jahre in europäische Länder legal einzureisen, um hier zu arbeiten, zu studieren oder zur Schule zu gehen. Stattdessen sind sie oft gezwungen hohe Summen für einen gefährlichen Weg zu bezahlen. Geld, das viele nicht haben. Diejenigen, die es bis nach Deutschland schaffen, werden im Anschluss kriminalisiert und stigmatisiert und müssen oft ohne Papiere und Sozialversicherung in ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen leben.
Wir wenden uns daher gegen diese Abschottungspraxis und fordern zusätzlich zu der oben erwähnten Visafreiheit eine Möglichkeit für alle Menschen, egal aus welchem Herkunftsland und ohne die Notwendigkeit eine hohe Kaution hinterlegen zu müssen, mit einem Arbeitsvisum in die EU und nach Deutschland einreisen zu können.
Wegfall des Asylverfahrens. Umkehr der Beweislast.
Wenn Menschen auf der Flucht endlich den gefährlichen Weg aus ihrer Heimat nach Europa und bis nach Deutschland geschafft haben, stehen sie erst am Beginn des Asylverfahrens. Jetzt beginnt für viele eine Zeit des Wartens, des Hoffens und des Bangens. Erst wenn das Asylverfahren abgeschlossen ist und die Betroffenen eindeutig bewiesen haben, dass sie nach Ansicht der Behörden legitime Gründe hatten ihre Heimat zu verlassen, ihre Familien zurück zu lassen und ihr Leben zu riskieren, erst dann dürfen sie die Rechte, die sie als Geflüchtete besitzen voll in Anspruch nehmen: In eine eigene Wohnung ziehen und im bestmöglichen Fall eine Ausbildung, ein Studium oder eine Arbeit beginnen und ihre Familien nachholen. Wir fordern die Beweislast umzukehren, sodass in Zukunft der Staat einer Person nachweisen muss, dass ihr Fluchtgrund nicht legitim gewesen sei. Alle Menschen die sich auf den Weg gemacht haben und hier Asyl beantragen, sind auch bis auf weiteres als solche zu behandeln.
2. Das Asylverfahren in seiner jetzigen Form kriminalisiert Menschen die vor Krieg, Hunger und Armut fliehen und erschwert ihnen ihr Recht auf Asyl wahrnehmen zu können
Die Menschen, die derzeit auf ihrer Flucht nach Europa kommen, finden sich einem enormen bürokratischen Apparat gegenüber, welcher sie vor allem in monate- oder jahrelangen Verfahren in ihrer Antragstellung behindern soll, ihre Grundrechte beschneidet und weitere Flüchtende abschreckt. Wir wollen die aktuellen Verhältnisse umkehren und sicherstellen dass die Menschen ihr Recht auf Asyl in Anspruch nehmen können, ohne selbst die Beweislast erbringen zu müssen, dass sie sich aufgrund von legitimen Fluchtgründen (was auch immer das heißen soll) auf ihren Weg gemacht haben. Wir fordern deswegen eine Reform der Erstaufnahme, die es den Menschen ermöglichen soll frei und selbstbestimmt über ihr Leben hier in Deutschland entscheiden zu können.
Einmalige Registrierung
Viele Flüchtende werden auf ihrem Weg von ihrer Heimat bis an die Erstaufnahme-Einrichtungen mehrfach von unterschiedlichsten Behörden registriert. Dadurch zieht sich der Prozess der „Reise“, sowie der Antragstellung unnötig in die Länge. Obwohl zahlreiche Flüchtende bereits im Besitz von Papieren des UNHCR sind, die ihnen einen Flüchtlingsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention zugesteht, werden sie weiterhin an der Einreise in den Schengen-Raum gehindert. Wir fordern, dass allen Menschen die legale Einreise in den Schengen-Raum ermöglicht wird: Sei es mit einem gültigen Reisepass im Rahmen eines 3-monatigen Touristenvisums, einem gültigen UNHCR-Dokument oder wenn keine gültigen Papiere vorliegen, mit einem vom UNHCR an der EU-Außengrenze ausgestellten Dokument. Mit solchen Dokumenten muss es jedem flüchtenden Menschen möglich sein, in ein europäisches Land seiner Wahl einzureisen und dort sein Recht auf Asyl in Anspruch zu nehmen.
Freie Wohnortswahl
Derzeit werden Geflüchtete nach ihrer Ankunft in Deutschland über den Königsteiner Schlüssel auf die unterschiedlichen Bundesländer verteilt. Dabei wird nicht berücksichtigt, ob die Flüchtenden bereits Familienangehörige, Freunde oder Verwandte in anderen Teilen Deutschlands haben, die bei ihrer Ankunft und dem Beginn ihres zukünftigen Lebens enorm wichtig sind. Auch übergeht diese Regelung die unterschiedliche Situation, mit der die Flüchtenden in den verschiedenen Regionen empfangen werden. Die Verteilung dient alleine dazu, dass die „wirtschaftliche Last“ die Flüchtende offenbar primär darstellen, gleichmäßig auf alle Bundesländer entsprechend ihrer Kapazitäten verteilt wird. Da aber der Bund bereits zugesagt hat, die Länder und Kommunen durch Pauschalleistungen pro Kopf finanziell zu unterstützen, und somit eigentlicher Träger der Kosten ist, ist diese erzwungene Verteilung bereits obsolet. Stattdessen müssen Geflüchtete unserer Ansicht nach die Möglichkeit haben selbstständig über ihren Wohnort zu entscheiden.
Existenzminimum in Barleistungen
Anstatt Geflüchtete nach ihrer Ankunft in Massenunterkünften unterzubringen, ihre Bewegungsfreiheit massiv einzuschränken und das ihnen zustehende Existenzminimum in Sachleistungen, wie Essenspaketen und Deutschkursen auszuhändigen, fordern wir die Möglichkeit für Geflüchtete eigenständig über die Verwendung ihrer Leistungen zu entscheiden. Dies ist nicht nur ein grundsätzliches Recht der Betroffenen, sondern spart auch Kosten und Zeit. Tatsächlich zeigen erste Projekte wie in Schwäbisch-Gmünd, dass die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in kommunalen Sozialwohnungen nicht nur von enormem Vorteil ist, sie ist auch langfristig billiger und genauso schnell zu errichten. Anstatt Menschen in Containerstädten und Zeltdörfern unterzubringen, die ebenfalls teuer gebaut werden müssen und oft minimale Standards nicht einhalten, kann durch billigen Wohnraum bereits von Anfang ein Einstieg erleichtert werden. In diesem neu entstandenen Wohnraum können neben Geflüchteten auch andere Menschen leben und es wird so eine räumliche Stigmatisierung verhindert. Menschen die bereits über Freunde, Verwandte oder Unterstützer*Innen vor Ort verfügen, muss es natürlich ebenfalls freigestellt sein bei diesen unterzukommen.
Sofortige Freizügigkeit
Solange sich Geflüchtete in Erstaufnahmeeinrichtungen befinden, unterliegen sie der Residenzpflicht. Daneben gibt es noch weitere Einschränkungen in den Bereichen Arbeit, Schule und Ausbildung. Für die ersten drei Monate gilt für Geflüchtete ein komplettes Arbeitsverbot, danach können sie eine eingeschränkte Arbeitserlaubnis beantragen. Sobald sie die Erstaufnahmeeinrichtung verlassen haben, können Geflüchtete, die bereits eine Aufenthaltsgenehmigung haben, eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis beantragen. Allerdings gilt für Geflüchtete bis zum 15. Monat des Aufenthaltes die Vorrangprüfung: Freie Stellen und Ausbildungsplätze werden von den Jobcentern zuerst an deutsche StaatsbürgerInnen, EU-Bürger*Innen und Ausländer*Innen mit unbegrenzter Arbeitserlaubnis vergeben. Somit wird den Menschen der Zugang zum Arbeitsmarkt massiv erschwert. Zusätzlich dazu werden vielen Geflüchteten (Hoch)Schul- und Berufsabschlüsse aus ihren Heimatländern nicht anerkannt. Währenddessen zeigen private Initiativen, dass das Interesse vieler Arbeitsgeber*Iinnen groß ist; fast so groß wie die Motivation der Menschen, der Untätigkeit und Monotonie der Heime zu entkommen. Den Geflüchteten in Erstaufnahmeeinrichtungen muss daher endlich ihr Recht auf Freizügigkeit ermöglicht werden, nicht nur im Blick auf Bewegungsfreiheit, sondern auch was Arbeiten, Schulen oder Universitäten angeht. Wir fordern eine sofortiges Ende der Residenzpflicht, und eine Arbeitserlaubnis für Geflüchtete ab dem ersten Tag.
Initiativkreis: Menschen.Würdig, Januar 2016
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